Türkei:Streit um Incirlik eskaliert weiter

Luftwaffenstützpunkt Incirlik

In Incirlik sind deutsche Tornado-Jets für Aufklärungsflüge stationiert.

(Foto: Falk Bärwald/dpa)

SPD-Fraktionschef Oppermann will Ankara ein Ultimatum stellen, der türkische Außenminister sagt: Die Bundeswehr kann abziehen.

Die Türkei legt im Streit mit Deutschland über die Bundeswehr-Präsenz auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik nach. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte am Donnerstag, Deutschland stehe es frei, seine Truppen abzuziehen. "Wenn sie gehen wollen, ist das ihre Sache. Wir werden nicht betteln", sagte er dem türkischen Sender NTV. "Sie waren diejenigen, die kommen wollten, und wir haben ihnen geholfen. Wenn sie gehen wollen, würden wir Tschüss sagen." In Deutschland mehren sich wegen des verweigerten Besuchsrechts für Bundestagsabgeordnete parteiübergreifend die Stimmen, die eine Verlegung der 250 in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten fordern.

In Incirlik sind deutsche Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie unterstützen die von den USA angeführte Koalition im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird am Freitag in Jordanien erwartet, das als Alternativstandort für Incirlik im Gespräch ist.

Beim Nato-Gipfel kommende Woche könnte es zu einem Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan kommen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte, der Türkei eine Frist zu setzen: "Wenn es beim kommenden Nato-Gipfel nicht zu einer klaren Korrektur kommt, müssen wir die Bundeswehr aus Incirlik abziehen", sagte Oppermann dem Nachrichtenmagazin Focus. "Erdoğan erpresst uns", so Oppermann. Die Entwicklung der Türkei sei deprimierend. Die Nato sei "kein Bündnis für Autokraten, sondern eines zur Verteidigung westlicher Werte. Da passt eine Diktatur nicht ins Bild."

Im Streit um die Bundeswehrtruppen drohte Außenminister Sigmar Gabriel auch mit einem Abzug von deutschen Soldaten aus einem Nato-Verband. Bei einem Besuch in Washington machte er am Donnerstag klar, dass es in der Auseinandersetzung mit Ankara um ein Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete nicht nur um die in Incirlik stationierten Tornado-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr, sondern auch um die Awacs-Aufklärungsflieger der Nato in Konya gehe. "Das ist eine integrierte Entscheidung. Ich glaube jedenfalls, dass beide Dinge schwer voneinander zu trennen sind", sagte Gabriel nach Gesprächen mit der US-Regierung. Die Awacs-Maschinen sind der bisher einzige größere Beitrag der Nato zum internationalen Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat. Bei einem Abzug der deutschen Soldaten wäre der Einsatz insgesamt gefährdet. Gabriel bat die US-Regierung darum, Deutschland im Incirlik-Streit zu unterstützen. Er gehe davon aus, dass die USA ihre Möglichkeiten zu Gesprächen mit der Türkei nutzten, um klarzumachen, dass die Beziehung zueinander anders aussehen müsse als zurzeit, sagte Gabriel nach einem Treffen mit US-Außenminister Rex Tillerson.

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