Türkei:Spurensuche in Suruç

Der türkische Ministerpräsident geht von einem Anschlag der IS-Terrormiliz aus. Offenbar hat die Polizei einen Verdächtigen identifiziert. Bekannt wurde außerdem, dass Behörden vor einem Attentat gewarnt hatten.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Einen Tag nach dem Selbstmordanschlag in der türkische Grenzstadt Suruç hat die Polizei am Dienstag offenbar einen Verdächtigen identifiziert. Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoğlu sagte in der Stadt Şanlıurfa unweit des Anschlagsortes, es handele sich mit "größter Wahrscheinlichkeit" um einen Anschlag der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS). Genauere Angaben zum Täter machte Davutoğlu allerdings nicht.

Türkische Medien berichteten am Dienstag, dass ein Finger gefunden worden sei und die Untersuchung auf eine Frau als Täterin hindeuten könnte. Zudem wurde bekannt, dass Sicherheitsbehörden wiederholt vor einem Anschlag gewarnt hatten. Mindestens sieben IS-Kämpfer sollen mit dem Ziel, Anschläge zu verüben, in die Türkei eingereist sein. Darunter waren auch drei Frauen. Die Warnungen datierten der Zeitung Hürriyet Daily News zufolge vom 22. Juni und vom 3. Juli.

Bei dem Anschlag am Montag im Amara-Kulturzentrum sind mindestens 32 junge Männer und Frauen einer sozialistischen Jugendorganisation umgekommen. Etwa 30 der insgesamt 100 Verletzten wurden am Dienstag noch im Krankenhaus behandelt. Einige sind schwer verletzt. Die Aktivisten wollten beim Wiederaufbau der lange umkämpften Stadt Kobanê helfen, die direkt hinter der Grenze in Syrien liegt. In einer Pressekonferenz wollten sie über ihr Projekt berichten. Kurz vor zwölf Uhr am Montag war die Bombe hochgegangen. Der Sprengsatz war offenbar mit Metallkugeln versetzt, um die Wirkung noch zu verstärken.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat der Türkei Unterstützung zugesagt

Die Jugendorganisation, die den Hilfseinsatz für Kobanê organisiert hatte, machte der Regierung schwere Vorwürfe. Die Regierungspartei AKP und der türkische Geheimdienst würden mit den Milizen des Islamischen Staats zusammenarbeiten, erklärte die Gruppe. Hintergrund sind angebliche Waffen- und Hilfsgütertransporte nach Syrien, über die die Regierung die Auskunft verweigert.

In mehreren Städten der Türkei gingen am Montagabend Tausende Menschen aus Protest gegen den Anschlag auf die Straße. In Istanbul löste die Polizei die Kundgebung mit Wasserwerfern und Tränengas auf. Der Bombenanschlag löste international große Anteilnahme aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach Davutoğlu in einem Telegramm ihr Beileid aus. Deutschland stehe "in diesen schweren Stunden eng an der Seite" der Türkei. Bundespräsident Joachim Gauck schrieb an seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan, er sei zutiefst bestürzt über den "menschenverachtenden und hinterhältigen Anschlag". Vizekanzler Sigmar Gabriel zeigte sich "zutiefst erschüttert über den Tod so vieler junger unschuldiger Menschen".

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Anschlag scharf. "Kein Grund oder Missstand kann je einen Anschlag auf Zivilisten rechtfertigen", sagte Ban laut einer von den Vereinten Nationen in New York verbreiteten Mitteilung. Er hoffe, dass die Verantwortlichen rasch identifiziert und zur Rechenschaft gezogen würden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat nach dem Terroranschlag der Türkei Unterstützung zugesagt. Die EU werde gemeinsam mit regionalen und internationalen Partnern gegen die Bedrohung durch Terroristen ankämpfen, sagte Mogherini am Dienstag in Brüssel. Der Terroranschlag auf junge Freiwillige habe zwar das Ziel gehabt, die Region weiter zu destabilisieren. "Den Terrorgruppen wird es nicht gelingen, die große internationale Entschlossenheit zu untergraben, den Terrorismus zu zerschlagen", sagte Mogherini.

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