Türkei:Schlag gegen Journalisten

Am Flughafen in Istanbul wartete die Polizei auf Akın Atalay. Der Herausgeber der Zeitung"Cumhuriyet" ist für Präsident Erdoğan ein Staatsfeind. Die Verfolgung von Regierungskritikern nimmt kafkaeske Züge an.

Von Luisa Seeling

Es wird Akın Atalay nicht überrascht haben, dass die Polizei am Istanbuler Atatürk-Flughafen wartete. Der Herausgeber der Oppositionszeitung Cumhuriyet wusste schließlich von der Haftanordnung gegen ihn. Als die Behörden Ende Oktober ein Dutzend Mitarbeiter der Zeitung festnahmen, stand eigentlich auch Atalay auf der Liste. Doch der hielt sich zu dem Zeitpunkt mit seiner Frau in Deutschland auf, die Polizei musste die Festnahme verschieben. Auch eine Haftanordnung gegen Can Dündar konnte nicht vollsteckt werden; Dündar war bis August Chef der Cumhuriyet, seitdem lebt er im Berliner Exil. Aktuell befinden sich neun Mitarbeiter der Zeitung in Untersuchungshaft.

Nun könnte noch einer dazukommen. Akın Atalay ist in die Türkei zurückgekehrt, weil, wie seine Frau nach seiner Festnahme erklärte, er "ein Mensch des Rechts" sei und "kein Flüchtiger, wie in der Presse behauptet wurde". Am Flughafen wollten ihn Kollegen in Empfang nehmen, doch es blieb keine Zeit für die Begrüßung; Zivilpolizisten führten Atalay schon an der Flugzeugtreppe ab. Wie bei seinen inhaftierten Kollegen wird auch gegen ihn der Vorwurf erhoben, er habe den gescheiterten Militärputsch im Juli und die kurdische Terrororganisation PKK unterstützt. Beobachter halten dies für abwegig; über beide Organisationen hat die Zeitung ausgesprochen kritisch berichtet. Atalays Frau nannte die Festnahmen einen Vorwand, um die Zeitung unter staatliche Verwaltung zu stellen.

Akin Atalay, chairman of Cumhuriyet daily newspaper arrested at a

Am Flughafen abgefangen: Akın Atalay.

(Foto: Vedat Arik/dpa)

Cumhuriyet ist eine der letzten unabhängigen Zeitungen des Landes, doch ihr Spielraum schrumpft. Der islamisch-konservativen AKP-Regierung ist das säkular-kemalistische Blatt schon lange ein Dorn im Auge. Als es im Mai 2015 über mutmaßliche Waffenlieferungen des türkischen Geheimdiensts an syrische Islamisten berichtete, begann Ankara, juristisch gegen das Führungspersonal der Zeitung vorzugehen.

Seit dem Putschversuch Mitte Juli hat sich der Zustand der Pressefreiheit in der Türkei massiv verschlechtert. Nach Angaben der Türkischen Journalistenvereinigung wurden seither 170 Medien geschlossen, 105 Journalisten festgenommen und 777 Presseausweise für ungültig erklärt. Auf der Rangliste der Organisation Reporter ohne Grenzen belegt die Türkei Platz 151 von 180 Ländern. Mitunter nehmen die Antiterror-Ermittlungen fast absurde Züge an. Gegen den Staatsanwalt, der wegen des Verdachts der Terrorunterstützung gegen Cumhuriyet ermittelte, wurden Ermittlungen eingeleitet - wegen des Verdachts der Terrorunterstützung. Ein Journalist der Nachrichtenseite OdaTV berichtete darüber. Und hatte prompt seinerseits Ermittlungen am Hals.

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