Es ist eine gute Woche für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Zum ersten Mal seit Jahren ist er außerhalb der Golfregion unterwegs, in Kairo und Amman rollte man ihm den roten Teppich aus, am Mittwoch wird der junge Herrscher in Ankara mit Küsschen vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und militärischen Ehren empfangen. Es ist sein erster Türkeibesuch nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul. Ein extra angereistes Mordkommando aus Riad hatte den Regimekritiker im Oktober 2018 zersägt. US-Geheimdienste halten den Kronprinzen für den Drahtzieher.
Noch bis vor Kurzem kämpften Mohammed bin Salman und Erdoğan um die Vormachtstellung in der Region: Seit Beginn des Arabischen Frühlings 2010/2011 sind sie uneins über die Zukunft der Region. Erdoğan fühlt sich den Muslimbrüdern politisch-ideologisch verbunden, bin Salman fürchtet demokratische Revolutionen als Gefahr für seine autoritäre Staatsform. Auch die saudisch-jordanischen Beziehungen waren in den vergangenen Jahren abgekühlt, Amman fühlte sich in den Verhandlungen mit Israel an den Rand gedrängt, Riad vermisste Rückhalt in der Katarkrise und im Jemenkrieg.
Bin Salmans jüngste Reise durch die Region ist deshalb auch eine Botschaft an Washington - so kurz vor dem geplanten und viel kritisierten Besuch des US-Präsidenten: Sieh her, ich bin wieder salonfähig. Joe Biden soll Mitte Juli zum Treffen des Golfkooperationsrates nach Dschidda fliegen und dort erstmals persönlich auf den umstrittenen Machthaber treffen. Seit dem Khashoggi-Fall war der Kronprinz mehr oder weniger isoliert. Im Wahlkampf hatte Biden deshalb versprochen, Saudi-Arabien als Paria-Staat zu behandeln. Doch das war vor dem russischen Krieg in der Ukraine, vor dem Anstieg der Benzinpreise, vor der Inflation.
Auch Erdoğan hat seine Freund-Feind-Karten neu gemischt und versucht, sich angesichts der Lira-Krise und den Wahlen im Sommer 2023 den wohlhabenden Golfstaaten anzunähern. Im April reiste er nach Dschidda, nun folgt der Gegenbesuch. Dabei war es Erdogan, der den internationalen Druck auf den Kronprinzen im Khashoggi-Fall in den vergangenen Jahren aufrechterhielt. Im September 2019 schrieb er in seinem Beitrag für die Washington Post, "es liegt im besten Interesse der Menschheit, dafür zu sorgen, dass ein solches Verbrechen nicht noch einmal irgendwo begangen wird. Die Bekämpfung der Straflosigkeit ist der einfachste Weg, dieses Ziel zu erreichen. Das sind wir Jamals Familie schuldig."
Die Türkei braucht dringend Investitionen
Doch nun braucht die Türkei angesichts einer Inflation von knapp 70 Prozent Investitionen. Der ideologische Machtkampf zwischen Ankara und Riad hatte auch den Handel getroffen: Türkische Unternehmen klagten über Verzögerungen bei der Zollabfertigung in Saudi-Arabien, im Herbst 2020 war die Rede von einem inoffiziellen saudischen Embargo für türkische Waren. Auch in den sozialen Netzwerken gab es immer wieder Boykottaufrufe. Laut offiziellen Daten beliefen sich die türkischen Exporte im vergangenen Jahr auf etwas mehr als 200 Millionen US-Dollar, gegenüber rund 3,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019.
In Kairo erhielt man einen Vorgeschmack auf die Früchte, die bin Salmans Besuch auch Ankara bescheren könnte: Ägypten und Saudi-Arabien unterzeichneten 14 Verträge im Gesamtwert von fast acht Milliarden Dollar, darunter für erneuerbare Energien und Finanztechnologie. Das bevölkerungsreichste arabische Land leidet derzeit unter den Folgen des Ukraine-Kriegs, den weltweit gestiegenen Getreide- und Kraftstoffpreisen und dem damit einhergehenden Zinsanstieg. Saudi-Arabien hat bereits Milliarden Dollar bei der ägyptischen Zentralbank hinterlegt, um die Reserven zu stützen.