Türkei:Polizist erschießt russischen Botschafter in Ankara

Lesezeit: 3 Min.

Polizisten sperren den Tatort in Ankara weiträumig ab. (Foto: dpa)
  • Der Botschafter der Russischen Föderation in der Türkei, Andrej Karlow, ist in Ankara erschossen worden.
  • Ein Video zeigt, wie bei einer Ausstellung ein Attentäter in Anzug und Krawatte auf den Diplomaten und dann in die Menge schießt.
  • Türkische Behörden melden, der Angreifer sei "neutralisiert" worden. Dem Bürgermeister von Ankara zufolge soll er ein Polizist gewesen sein.

Der Botschafter der Russischen Föderation in der Türkei, Andrej Karlow, ist angeschossen und tödlich verletzt worden. Karlow wurde auf einer Fotoaustellung in der türkischen Hauptstadt angegriffen. Über seinen genauen Zustand gab es zunächst widersprüchliche Angaben. So hieß es, Karlow sei schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Andere Medien berichten, der verletzte Diplomat halte sich noch in der Ausstellung auf.

Russische Nachrichtenagenturen meldeten unter Berufung auf das russische Außenministerium schließlich, Karlow sei seinen Schussverletzungen erlegen. Der 1954 geborene Diplomat Andrej Karlow war im Juli 2013 als Botschafter nach Ankara entsandt worden. Zuvor war er Botschafter in Nordkorea gewesen.

Der Botschafter Russlands in der Türkei, Andrej Karlow. (Foto: AP)

Türkische Behörden: Der Angreifer ist "neutralisiert" worden

Auf Videobildern ist zu sehen, wie ein junger Mann in Anzug und Krawatte auf Karlow schießt, während dieser eine Rede hält. Die Hintergründe des Angriffs waren zunächst unklar; allerdings berichten die Zeitung Hürriyet mehrere Nachrichtensender, ein Angreifer habe auf Karlow geschossen und dabei "Vergesst nicht Syrien, vergesst nicht Aleppo" und "Allahu akbar" (arabisch für "Gott ist groß") gerufen. Mindestens drei weitere Menschen wurden bei dem Angriff verletzt.

Türkische Medien beriefen sich auf Augenzeugen, die sagten, der Attentäter habe sich Zutritt zu der Veranstaltung verschafft, indem er einen Polizeiausweis vorzeigte. Er wurde türkischen Behörden zufolge "neutralisiert" - dieses mehrdeutige Verb bedeutet im Sprachgebrauch der türkischen Behörden, dass der Angreifer getötet, verletzt oder gefangengenommen wurde. Der Bürgermeister von Ankara twitterte, der Angreifer sei ein Polizist gewesen.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu bestätigte später auf CNN Türk, der Attentäter sei 23 Jahre alt und stamme aus Söke an der Ägäisküste. Er habe seit zwei Jahren bei der Bereitschaftspolizei gearbeitet und sei seit zweieinhalb Jahren in Ankara im Einsatz gewesen. Zwei Familienangehörige des getöteten Angreifers wurden Medienberichten zufolge festgenommen. Es handele sich um die Mutter und Schwester des Attentäters, meldete die türkische Nachrichtenagentur DHA. Das Haus der Familie in Söke sei von der Polizei durchsucht worden.

Russisches Außenministerium wertet Angriff als Terroranschlag

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte, Russland werte den Angriff auf den Botschafter als Terroranschlag. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, schrieb auf Twitter, man verurteile diesen Gewaltakt. Die Bundesregierung teilte mit, sie verurteile diese "sinnlose Gewalttat" auf das Schärfste. Der deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger Freiherr von Fritsch, schrieb auf Twitter, er sei "zutiefst erschüttert über den feigen Anschlag auf meinen Kollegen, Botschafter Karlow." Von Fritsch drückte den Angehörigen sein Beileid aus.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

In einer Nachricht an den russischen Außenminister Sergej Lawrow schrieb die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini: "Ich war zutiefst erschüttert, von dem unfassbaren Angriff auf Botschafter Andrej heute Nachmittag in Ankara zu hören." Die Europäische Union verurteile dieses Attentat. "Wir möchten angesichts dieses kriminellen Gewaltakts unsere Solidarität mit Russland aussprechen", schrieb Mogherini.

Erdoğan und Putin telefonieren über Ermittlungsergebnisse

Der türkische Recep Tayyip Erdoğan setzte sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Verbindung. Nach Angaben aus türkischen Regierungskreisen telefonierten beide Staatschefs miteinander über die ersten Ermittlungergebnisse. Das türkische Außenministerium betonte in einer Stellungnahme, man werde es nicht zulassen, dass der Anschlag "einen Schatten auf die türkisch-russische Freundschaft" werfe.

Vor dem russischen Generalkonsulat in Istanbul wurden unterdessen die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Die russische Vertretung liegt mitten in der viel besuchten Einkaufsstraße İstiklal Caddesi. Gepanzerte Fahrzeuge sicherten das Gebäude, das weiträumig abgesperrt wurde.

Erst im Sommer hatten sich Russland und die Türkei diplomatisch wieder angenähert

In der Türkei hatte es in den vergangenen Tagen Proteste vor der russischen Botschaft gegeben, weil Russland im Syrien-Krieg der wichtigste Verbündete des Assad-Regimes ist und die Offensive der syrischen Regierung auf Aleppo militärisch unterstützt hatte.

Zwischen der Türkei und Russland hatte der Abschuss eines russischen Kampfjets an der Grenze zu Syrien vergangenes Jahr zu schweren diplomatischen Verstimmungen geführt. Erst im Sommer hatten sich beide Seiten wieder angenähert.

Am Dienstag wollten Russland und die Türkei gemeinsam mit dem Iran in Moskau über den Syrien-Konflikt beraten. Das Treffen solle trotz des Angriffs stattfinden, erklärte der ranghohe russische Parlamentsabgeordnete Leonid Slutski am Montagabend in Moskau. "Trotz dieser Tragödie sollten wir konstruktiv arbeiten", sagte der Chef des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma.

© SZ.de/dpa/ees - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: