Türkei:Picknick mit Sprengkraft

Türkei: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ist strikter Alkohol- und Tabakgegner.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ist strikter Alkohol- und Tabakgegner.

(Foto: AP/AP)

Präsident Erdoğan besucht Nordzypern und fordert eine Zwei-Staaten-Lösung für die Insel .

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Mit einem als "Picknick" angekündigten Besuch Nordzyperns hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan das Zypernproblem erneut in den Brennpunkt gerückt. Der Besuch, in dessen Rahmen der Staatschef auch einen erst Anfang Oktober unter internationalem Protest eröffneten Strand in einem seit 1974 verlassenen, ehemals griechisch-zyprischen Viertel der Stadt Famagusta besuchen wollte, stieß bei der Regierung der Republik Zypern auf Protest und Unverständnis. Aufsehen erregte, dass der türkische Staatschef in Begleitung des ultranationalistischen Politikers Devlet Bahçeli in die international nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern reiste. Bahçelis rechtsextreme Partei MHP vertritt in der Zypernfrage eine besonders harte Haltung. Erdogan forderte in einer Rede eine Zwei-Staaten-Lösung für Zypern: "Es gibt zwei Völker und zwei verschiedene Staaten auf Zypern", sagte er. Auf dieser Basis müsse das Zypern-Problem nun gelöst werden.

Ein Strand als Sinnbild für die Teilung Zyperns

Offizieller Anlass des Besuchs war der 37. Jahrestag der Ausrufung der "Türkischen Republik Nordzypern". Sprengkraft gewann die Visite aber durch das angekündigte "Picknick" Erdoğans am Strand im griechisch-zyprischen Stadtteil Varosha in der Stadt Famagusta. Der Varosha-Strand war seit der Teilung der Insel 1974 als militärisches Sperrgebiet geschlossen gewesen; im Oktober dieses Jahres war er unter internationalen Protesten von der nordzyprischen Regierung wieder eröffnet worden. Dies geschah offenbar auf türkisches Drängen hin.

Der Strand gilt als Sinnbild der Teilung Zyperns: Die griechisch-zyprischen Bewohner des Stadtteils Varosha, einer früheren Touristenhochburg, flohen, als türkische Truppen 1974 vorrückten, Varosha wurde als militärisches Sperrgebiet zur Geisterstadt. Jahrzehntelang galt Varosha als Symbol sowohl der Teilung als auch der Hoffnung auf eine friedliche Wiedervereinigung der Insel durch Verhandlungen: Der UN-Sicherheitsrat hatte 1984 verkündet, die aus Varosha geflohenen Bewohner hätten Anspruch auf Rückkehr. Das Zypernproblem bleibt seit mehr als vier Jahrzehnten ungelöst. Der nördliche Teil der Mittelmeerinsel war nach einem griechischen Putsch im Jahr 1974 von türkischen Truppen besetzt und 1983 zur "türkischen Republik Nordzypern" erklärt worden; diese wird aber nur von der Türkei anerkannt. Die Republik Zypern im Süden ist seit 2004 EU-Mitglied.

"Noch nie da gewesene Provokation"

Kurz nach der Wiedereröffnung des Strandabschnitts in Varosha im Oktober wurden in Nordzypern Präsidentschaftswahlen abgehalten. Bei diesen setzte sich der von der Türkei unterstützte damalige nordzyprische Premier Ersin Tatar durch. Er gilt wie Erdoğan als Vertreter einer harten Linie in Form eines noch engeren Anschlusses Nordzyperns an die Türkei.

Dementsprechend sendet Erdoğans Picknick-Besuch ein Signal sowohl an Zypern selbst als auch an Griechenland und die EU. Der Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiadis, bezeichnete den Besuch dann auch als "noch nie da gewesene Provokation". Dies widerspreche allen UN-Resolutionen und untergrabe die Bemühungen, neue Verhandlungen zur Überwindung der Teilung in die Wege zu leiten. Zusätzlich angeheizt werden dürfte das Zypernproblem durch die jüngste Ankündigung Ankaras, dass türkische Bohr- und Forschungsschiffe bis Februar 2021 weiter in den Gewässern vor Zypern arbeiten werden.

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