Türkei:Paradebeispiel

Officials visit a group of children in the kindergarten in Nizip refugee camp

Die einen malen ein Bild, die anderen versuchen sich eines zu machen: Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in einem Kinderschutzzentrum in Nizip.

(Foto: Reuters)

Angela Merkel besucht ein Vorzeige-Flüchtlingscamp. Wer helfen will, muss die Probleme kennen, sagt sie.

Von Stefan Braun

Während der Kurzvisite in der Südtürkei besuchte Angela Merkel am Samstag in Begleitung von EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans ein großes Flüchtlingslager und ein von der EU finanziertes Kinderschutzzentrum. Im Flüchtlingslager Nicip haben 15 000 Menschen aus Syrien ein provisorisches Zuhause gefunden. Organisiert von der türkischen Regierung leben die Flüchtlinge dort in Containern oder Zelten; es gibt Gesundheitszentren, Supermärkte und Schulen. Die Kinder erhalten Unterricht auf Englisch, Arabisch und Türkisch. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR lobt es.

Mustafa al-Umar, Englischlehrer aus Homs, drei Kinder, berichtet, dass der Unterricht in zwei Schichten stattfindet - morgens die Jungs, nachmittags die Mädchen. Der Syrer sagt, er sei sehr entschlossen, nach dem Krieg wieder nach Hause zurückzukehren. Glaubt er denn an eine baldige Chance? Mustafa wirft die Arme in die Höhe. Heute herrsche dort wieder Baschar al-Assad, deshalb gebe es leider keinerlei Sicherheiten. Nach dem Besuch loben Tusk und Merkel die Anstrengungen der Türken. Merkel hebt die Investitionen in die Bildung der Kinder hervor und verspricht weitere EU-Hilfen. Tusk sagt, die Türkei sei "das beste Beispiel in der Welt dafür, wie wir mit Flüchtlingen umgehen sollten." Keiner, so der EU-Ratspräsident, habe das Recht, "die Türkei zu belehren".

Zweite Etappe: Besuch in einem vom UN-Kinderhilfswerk Unicef mitorganisierten Kinderschutzzentrum. Dort sollen künftig vor allem Kinder und traumatisierte Eltern betreut und beraten werden. Es richtet sich an Flüchtlinge, die nicht in Lagern untergebracht sind, sondern bei Freunden, Verwandten oder bei hilfsbereiten Menschen in Gaziantep Unterschlupf gefunden haben. In der Region leben knapp 350 000 syrische Flüchtlinge, davon rund 50 000 in Lagern. In der Türkei haben von den 2,8 Millionen Flüchtlingen nur gut zehn Prozent einen Platz in einem Lager bekommen. Aus diesem Grund will die EU nicht zuletzt den Flüchtlingen außerhalb der Lager mehr helfen. In den knapp sechs Wochen seit Abschluss des EU-Türkei-Abkommens wurden von den geplant sechs Milliarden Euro bis 2018 etwa 100 Millionen Euro bewilligt. Bis Ende Juli sollen laut Tusk eine Milliarde Euro für Projekte beschlossen werden.

Beim Besuch im Kinderzentrum trifft Merkel Flüchtlinge, die sehr konkrete Probleme schildern. Eine Mutter mit ihrem behinderten Kind bräuchte mehr technische Hilfe; ein Student könnte, aber kann nicht studieren, weil er seine Großfamilie ernähren muss. Er träumt von einem Stipendium, das ihm und der Familie helfen könnte. Ein Schüler erzählt, dass er zwar einen Schulplatz habe, aber nur am unerreichbaren, anderen Ende der Stadt; Schulbusse wären deshalb eine große Hilfe. Hinterher sagt Merkel, genau für diese Gespräche sei das Trio nach Gaziantep gekommen. Nur wer die konkreten Probleme kenne, könne auch konkret helfen.

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