Eine Woche nach Beginn der Demonstrationen in der Türkei gegen die Inhaftierung des populären Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu ruft die türkische Opposition zu einer Ausweitung der Proteste auf. „In jeder Stadt, in die wir kommen, werden wir die größten Kundgebungen in ihrer Geschichte abhalten“, sagte der Chef der Partei CHP, Özgür Özel, dem britischen Sender BBC. Die landesweiten Proteste würden auch eine sehr große Demonstration am Samstag in Istanbul umfassen.
Özel sagte, die Proteste würden so lange fortgesetzt, bis entweder vorgezogene Präsidentschaftswahlen angesetzt würden oder İmamoğlu aus dem Gefängnis entlassen werde. Mit der für Samstag geplanten Demo in Istanbul werde die Kampagne der Partei eröffnet, die sich dafür einsetze, dass İmamoğlu bei den 2028 anstehenden Wahlen zum nächsten Präsidenten des Landes gewählt werde. Der Glaube an İmamoğlu und an die Demokratie werde die Proteste größer und stärker machen.

Türkei:Weiß Erdoğan, was brat ist?
Es ist der Aufstand der Generation Z, den die Türkei erlebt. Unterwegs mit Studentinnen und Studenten, die zu Zehntausenden durch Istanbul ziehen und den Rücktritt der Regierung fordern - obwohl sie damit ihre Festnahme riskieren.
Auch am Mittwoch gingen den achten Abend in Folge Tausende Menschen auf die Straßen - ungeachtet von Demonstrationsverboten unter anderem in Istanbul, Izmir und Ankara. Viele Protestierende forderten erneut den Rücktritt von Erdoğans Regierung. Getragen werden die Proteste insbesondere von jungen Menschen. Studenten und Studentinnen an mehreren Universitäten haben begonnen, Vorlesungen zu boykottieren. Ihren dezentralen Protest organisieren viele über Telegram-Gruppen.
İmamoğlu gilt als Erdoğans potenziell aussichtsreichster Herausforderer bei der für 2028 angesetzten Präsidentenwahl und wurde von der größten Oppositionspartei als Kandidat aufgestellt. Er war am 19. März unter Korruptions- und Terrorvorwürfen festgenommen und am Sonntag als Bürgermeister der Millionenmetropole Istanbul abgesetzt worden. İmamoğlu selbst bestreitet alle Vorwürfe und wirft der Regierung vor, ihn mit den Ermittlungen politisch kaltstellen zu wollen.
İmamoğlu in Einzelhaft, aber in guter Verfassung
Özel sagte, İmamoğlu befinde sich im Silivri-Hochsicherheitsgefängnis bei Istanbul in Einzelhaft, sei aber in guter Verfassung und nicht misshandelt worden. Das Korruptionsverfahren gegen İmamoğlu sei „eine Masche, um ihn zu diskreditieren“. İmamoğlu sei verhaftet worden, um zu verhindern, dass er der nächste Präsident der Türkei werde.
Seit Beginn der Proteste wurden laut dem türkischen Innenministerium mehr als 1400 Menschen bei Demonstrationen festgenommen, von denen knapp 1000 weiter in Gewahrsam sind. Darunter sind auch mehrere Journalisten.