Türkei:Nebenaußenpolitik mit Schröder kann es nicht geben

SPD-Altkanzler Gerhard Schröder

Gerhard Schröder ist im Fall Peter Steudtner als Vermittler tätig geworden. (Archivbild 2016)

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

Es liegt nicht an Erdoğan, sich auszusuchen, wer auf deutscher Seite sein Ansprechpartner ist. Deshalb muss die Vermittlerrolle des Altkanzlers eine Ausnahme bleiben.

Kommentar von Mike Szymanski

Die "neue deutsche Türkeipolitik" von Außenminister Sigmar Gabriel - eine Mischung aus harten Worten gegenüber Ankara und weichem Handeln - ist es am Ende nicht, die den Menschenrechtler Peter Steudtner freibekommt. Am Ende ist es ein 73-jähriger, umtriebiger Altkanzler mit einem Faible für autoritäre Herrscher. Im Auftrag der Regierung hat Gerhard Schröder Präsident Recep Tayyip Erdoğan dazu gebracht, sich zu bewegen. Aus Steudtners Sicht muss man sagen: Gut, dass es den Schröder gibt.

In der Türkei fällt kaum ein Wort so inflationär wie Arkadaş, Freund. Der SPD-Politiker Gerhard Schröder ist aber tatsächlich Erdoğans deutscher Freund geblieben, während andere Freundschaften in die Brüche gingen. Schröder blieb Erdoğan als Kanzler im Gedächtnis, der es gut meinte mit seiner Türkei, sie aufrichtig in die EU führen wollte. Kanzlerin Angela Merkel wollte das nie. Mehr als hundert Tage hat Steudtner in Untersuchungshaft verbringen müssen. Mit jedem einzelnen Tag hat die türkische Justiz ihm Unrecht angetan; ihn dafür büßen lassen, dass Deutschland etwa angeblichen Staatsfeinden der Türkei Asyl gewährt.

Gerhard Schröder als Vermittler - das muss die Ausnahme bleiben

Die Kanzlerin, in Europa eine der mächtigsten Frauen, hat keinen Einfluss mehr auf Erdoğan. Sie hatte es zunächst mit Verständnis versucht. Mit dem umstrittenen Flüchtlingsdeal wollte sie die Türkei sogar enger an Europa binden, nicht gänzlich aus purer Not. Sie stand zu Erdoğan, als andere ihn aufgegeben hatten, und das am Ende nur noch, weil er Deutsche in Geiselhaft hält.

Es spricht für Merkel, Schröder im Moment ihres Scheiterns als Vermittler akzeptiert zu haben. Sie zeigt damit Größe. Es sagt zudem viel über das Vertrauen in der großen Koalition aus, ausgerechnet in Wahlkampfzeiten der "Mission Schröder" im Hintergrund eine Chance gegeben zu haben. Für die Partner gab es also durchaus Wichtigeres als Parteipolitik.

Bedauerlich ist, dass bisher nur ein inhaftierter Deutscher durch Schröders Geheimdiplomatie, die von jetzt an nicht mehr im Geheimen funktionieren kann, freikam. Die Journalisten Deniz Yücel und Meşale Tolu sitzen weiterhin in Gefängnissen, und da gehören sie nicht hin.

So wichtig es ist, jemanden zu haben, der sich mit Erdoğan versteht, Schröder kann nicht einfach als eine Art Türkei-Beauftragter der Regierung weitermachen. Es liegt nicht an Erdoğan, sich auszusuchen, wer auf deutscher Seite sein Ansprechpartner ist. Schröders Erfolg als Vermittler geht in diesem Fall größtenteils auf seine hemdsärmelige, kumpelhafte Persönlichkeit zurück, die bei Erdoğan ankommt. Aber sicher auch auf das Überraschungsmoment. Das lässt sich nicht wiederholen. Eine Nebenaußenpolitik mit Schröder kann es nicht geben. Die neue Regierung wird wohl keine neue Kanzlerin hervorbringen, sicher aber einen neuen Außenminister. Und Erdoğan hat signalisiert, dass ihm Europa und gerade Deutschland doch nicht so egal sind, wie er das seit geraumer Zeit immer behauptet.

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