Türkei:Moskau lacht zuletzt

Russische Raketen sollten das Land sicherer machen, doch nun muss Ankara feststellen: Sie schwächen es.

Von Christiane Schlötzer

Die Türkei ist nicht das erste Nato-Land, das auf seinem Territorium russische Abwehrraketen stationiert. Auch auf der griechischen Insel Kreta stehen ältere russische S-300. Dass die dort gelandet sind, war dem Verteidigungsbündnis vor 20 Jahren nur recht. Denn gekauft hatte sie das kleine Zypern, genauer: die Inselgriechen. Zypern war damals noch nicht in der EU, hatte aber gute Drähte nach Moskau. Die Türkei, in Reichweite der Raketen, fühlte sich bedroht und drohte ihrerseits mit Aufrüstung. Die Welt fürchtete einen Krieg. Da wurden die Raketen in Kreta eingemottet.

Die Episode zeigt, welch absurde Wege die Geschichte nehmen kann. Nun hat die Türkei russische S-400 gekauft, die noch weiter fliegen als die alten S-300, und obwohl es sich wieder um Abwehr- und nicht um Angriffswaffen handelt, fürchten die Nachbarn um die empfindliche militärische Balance im Mittelmeer, wo griechische Inseln fast an die türkische Küste stoßen. In der Tat geht es hier um die Verschiebung von Gleichgewichten. Das russische System ist nicht in die Sicherheitsarchitektur der Nato integrierbar. Die USA haben schon reagiert und wollen der Türkei keine Kampfjets vom Typ F-35 mehr liefern, an deren Bau Ankara beteiligt war. Weitere Sanktionen könnten folgen. Mit US-Sanktionen hat die Türkei erst im vergangenen Sommer bittere Erfahrungen gemacht, sie rissen die Lira in die Tiefe.

Warum also läuft die Regierung in Ankara mit offenen Augen wieder einmal auf einen Abgrund zu? Im Dezember 2017, als die Türkei ihren Deal mit Wladimir Putin machte, war das Verhältnis zu Washington auch schon auf dem Tiefpunkt. Mehr oder minder offen hatte Ankara die USA beschuldigt, hinter dem Putschversuch gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu stecken, weil sie den Mann beherbergen, den Ankara zum Drahtzieher erklärte, den Prediger Fethullah Gülen. Misstrauen verursacht bis heute ebenso die Zusammenarbeit der US-Armee mit kurdischen Kämpfern in Syrien. Zu Russland war das Verhältnis der Türkei lange auch schlecht. Nach dem Putschversuch aber sah Putin seine Chance und kam zum Schulterklopfen nach Ankara, während Washington schwieg. Dann versprach der Kreml den Türken noch Technologietransfer, wenn sie die S-400 kaufen. Da war der Deal schon in trockenen Tüchern.

Russische Raketen sollten das Land sicherer machen, nun aber schwächen sie es

Was als Machtgeste gedacht war, erweist sich für die Türkei nun jedoch als Bumerang. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu versicherte am Montag zwar seinen Landsleuten, man könne die Türkei nicht aus der Nato werfen, der sie seit 1952 angehört. Aber das laute Trommeln zeigt, wie ernst die Lage ist. Für die F-35 hat die Türkei erst mal keinen Ersatz, und Ersatzteile für die F-16, ihren wichtigsten Kampfjet, werden sicher auch irgendwann knapp werden. Der Streit schwächt also die Verteidigungsfähigkeit des Landes, wo die S-400 sie doch stärken sollten.

Es gibt aber auch noch eine innenpolitische Dimension. Der Einkauf bei den Russen freut die Verschwörungsfreunde, die den Feind der Türkei grundsätzlich im Westen sehen. Dazu gehören ehemals hohe Militärangehörige, die sich jetzt wieder zu Wort melden, und die Ultranationalisten, die inzwischen Erdoğans unverzichtbarer Koalitionspartner sind. Das alles freut den Kreml. Dessen Politik ist es seit Langem, die Türkei vom Westen zu lösen. Deshalb hat Moskau zum Beispiel auch alles getan, um eine Vereinigung Zyperns zu verhindern - mit und ohne Raketen.

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