Süddeutsche Zeitung

Türkei:Meşale Tolu: "Bin müde, aber glücklich"

Lesezeit: 2 min

Das Verwirrspiel um die Freilassung der deutschen Journalistin Meşale Tolu ist beendet. Am Montagabend konnte die 33-Jährige in Begleitung ihrer Familie eine Polizeistation im Istanbuler Stadtteil Fatih verlassen. Dort war sie nach der Entlassung aus dem Frauengefängnis am Nachmittag hingebracht und mehrere Stunden festgehalten worden.

Tolu zeigte sich erleichtert. "Ich bin müde, aber glücklich", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. "Ich habe acht schwierige Monate durchgemacht." Die Freilassung sei für sie überraschend gekommen, weil sich in der Türkei "nicht immer das Recht durchsetzt". Ihre Behandlung durch die türkischen Behörden bezeichnete Tolu als "Skandal".

Ursprünglich hatte der Direktor des Gefängnisses im Istanbuler Stadtteil Bakirköy dem deutschen Botschafter Martin Erdmann nach Tolus offizieller Freilassung am Nachmittag zugesagt, sie dürfe kurz ihre Familie vor dem Tor des Gefängnis begrüßen, bevor sie zur Erledigung letzter Formalitäten auf eine Polizeiwache gebracht werde.

Deutscher Botschafter zeigt sich empört

Stattdessen wurde Tolu von der Polizei in einem zivilen Fahrzeug in getönten Scheiben an den Wartenden und dem Botschafter vorbeigefahren - mit zunächst unbekanntem Ziel. "Die spielen mit uns ein Versteckspiel", hatte sich Botschafter Erdmann empört. Erst nach einer längeren Irrfahrt gelang es dem Spitzendiplomaten, die Deutsche wieder ausfindig zu machen: In einer Polizeiwache im Stadtteil Fatih, wo Tolu festgehalten wurde. "Es war wie eine Entführung", berichtete Tolu. "Man hat mich von einer Polizeiwache auf die andere gebracht."

Dort kam es dann zur nächsten Komplikation: Während das Gericht eine Ausreisesperre verhängt hatte, ordnete die Polizei nach Angaben von Tolus Anwältin Gülhan Kaya die Abschiebung ihrer Mandantin an. Kaya sprach von "Willkür", Tolus zunehmend verzweifelter Vater Ali Riza Tolu warf der Polizei vor, seine Tochter "entführt" zu haben. Botschafter Erdmann sagte am Abend an der Polizeiwache: "Ich persönlich bleibe hier, bis Frau Tolu freigelassen wird."

Nach Informationen der Linken-Bundestagsabgeordneten und Prozessbeobachterin Heike Hänsel hatte es wohl zwei widersprüchliche Anweisungen gegeben, weswegen sich Tolus Freilassung verzögert habe: Neben dem gerichtlich verhängten Ausreiseverbot habe gleichzeitig auch eine Abschiebeanweisung nach Deutschland vorgelegen.

Tolu: "Sie haben versucht, mich zu ängstigen"

Erst am Montagmittag war bekannt geworden, dass Tolu unter Auflagen nach knapp achtmonatiger Haft wieder freikommt und das Frauengefängnis Bakırköy in Istanbul verlassen kann. Die Türkei darf sie aber nicht verlassen. Das Verfahren gegen sie und 17 türkische Angeklagte wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation geht weiter.

Tolu sagte, zwar werfe die Anklage ihr vor, Mitglied einer Terrororganisation zu sein. Der wahre Grund ihrer Inhaftierung sei aber gewesen, "dass ich Mitglied einer freien Presse bin. Sie haben versucht, mich zu ängstigen, weil sie wussten, dass ich einen kleinen Sohn habe."

Die 33-Jährige war Ende April in der Türkei festgenommen und später unter anderem wegen "Terrorpropaganda" angeklagt worden. Seitdem saß Tolu hinter Gittern. Ihr Mann Suat Çorlu war ebenfalls in der Türkei inhaftiert. Er wurde Ende November freigelassen. Ihr inzwischen dreijähriger Sohn hatte knapp ein halbes Jahr bei der Mutter im Gefängnis verbracht. Mindestens neun weitere Deutsche, darunter der Journalist Deniz Yücel, sitzen weiterhin aus politischen Gründen in Haft.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3797698
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/AFP/fie
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.