Türkei-Konflikt:"Ich will einen fairen Prozess - nicht mehr, nicht weniger"

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Der Türkei-Korrespondent der "Welt", Deniz Yücel, im Juli 2016 in einer Talkshow. (Foto: dpa)
  • Nach sechs Monaten hat sich der deutsche Journalist erneut aus dem Gefängnis in Istanbul gemeldet.
  • In einem Interview mit der Wochenendausgabe der Tageszeitung berichtet er von den Haftbedingungen und wirft der Türkei "Verschleppungstaktik" vor.

Acht Monate und 26 Tage. In Einzelhaft. Seit Februar sitzt der deutsche Journalist Deniz Yücel in der Türkei ohne Anklage im Gefängnis. "Ich will einen fairen Prozess. Und den am besten gleich morgen. Nicht mehr. Nicht weniger", fordert er einem Interview mit der Taz am Wochenende.

Am 14. Februar wurde der deutsch-türkische Welt-Korrespondent in Istanbul in Gewahrsam genommen, knapp zwei Wochen später verhängte das Gericht Untersuchungshaft gegen ihn. Der Richter begründete die U-Haft mit dem Verdacht auf "Volksverhetzung" und "Terrorpropaganda" für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Der türkische Staatspräsident Recep Tayip Erdoğan hatte Yücel außerdem beschuldigt, eine Art Terrorist zu sein, der gleichzeitig für einen fremden (in diesem Fall den deutschen) Staat spioniert. Auch nach mehr als 250 Tagen Haft hat die Staatsanwaltschaft keine Anklageschrift vorgelegt. Das ist möglich, denn nach türkischem Recht können Terrorverdächtige bis zu fünf Jahre lang in Untersuchungshaft bleiben.

Überblick
:Die politischen Gefangenen der Türkei

Sechs Deutsche sitzen in türkischen Gefängnissen - darunter Deniz Yücel, dessen Name als einziger bekannt ist. Auch zahlreiche türkische Journalisten sind weiterhin in Haft.

Türkei muss Stellungnahme an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgeben

Inzwischen haben Yücels Anwälte bei Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen seine Inhaftierung eingelegt. Der Gerichtshof muss nun entscheiden, ob Yücels Grundrechte auf Freiheit und Sicherheit sowie Meinungsfreiheit durch die andauernde Inhaftierung verletzt sind.

Ende Oktober wäre die Frist für eine Stellungnahme in dem Fall eigentlich abgelaufen, doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Ankara eine Fristverlängerung bis zum 28. November gewährt. Yücel wirft der Türkei deshalb "Verschleppungstaktik" vor. "Und danach (nach dem Urteil des EGMR Anm. d. Red.) werde ich gespannt sein, ob die türkische Regierung ein Urteil aus Straßburg zur Haftentlassung befolgen wird", sagt er. Das Gespräch hat die Zeitung, für die Yücel in der Vergangenheit als Redakteur arbeitete, schriftlich über dessen Anwälte geführt.

Über die Haftbedingungen im Gefängnis Silivri westlich von Istanbul sagt der 44-Jährige: "Isolationshaft ist Folter. Auch wenn ich eigentlich guter Dinge bin, kann ich nicht absehen, welche langfristigen Folgen das haben wird."

Mindestens noch acht Deutsche in türkischer Haft

Für die Anteilnahme in Deutschland bedankte sich Yücel, darüber freue er sich. "Obwohl noch immer keine Anklageschrift vorliegt, weiß ich ja, weshalb ich eingesperrt bin: Weil ich, so meine ich mir einbilden zu können, meinen Job als Journalist ordentlich gemacht habe. Und obwohl ich in Einzelhaft sitze, weiß ich, dank der vielen Menschen, die sich für mich und für meine inhaftierten Kollegen einsetzen, dass ich nicht alleine bin. Das hilft mir sehr."

Neben Deniz Yücel sind in der Türkei mindestens acht weitere deutsche Staatsbürger aus politischen Gründen inhaftiert. Der Fall belastet die Beziehungen zwischen Ankara und Berlin schwer. Ende Oktober war der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner freigekommen und nach Deutschland zurückgekehrt. Das Verfahren wegen angeblicher Terrorvergehen gegen ihn läuft in der Türkei aber weiter. Der Prozess gegen die ebenfalls inhaftierte deutsche Journalistin Mesale Tolu hat vor einem Monat begonnen.

© SZ.de/dpa/AFP/lkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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