Istanbul:Erste neue Kirche in der Türkei seit fast 100 Jahren

Turkish President Erdogan chats with Ecumenical Patriarch Bartholomew I during the groundbreaking ceremony of the Mor Efrem Syriac Orthodox Church in Istanbul

Präsident Erdoğan spricht mit mit Bartholomäus I., Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel (rechts) und Vertretern der Kirche der christlich-syrischen Minderheit.

(Foto: Murad Sezer/Reuters)
  • Für die aramäischen Christen Istanbuls wird die erste neue christliche Kirche seit Entstehung der Türkischen Republik im Jahr 1923 gebaut.
  • Die kleinen christlichen Gemeinden in der Türkei ringen um ihren Platz in der Türkei und kämpften oft jahrzehntelang mit dem Staat um ihren Besitz.
  • Erst seit Erdoğans AKP regiert, seit 2002, wurde vermehrt Eigentum zurückgegeben.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Yeşilköy liegt am Ufer des Marmarameers, einst war es ein grüner Vorort von Istanbul, die Metropole aber ist längst darüber hinweggewachsen. San Stefano hieß der Ort bis 1926, weil hier viele Christen lebten. Davon zeugen alte griechische und armenische Kirchen, in denen noch jedes Jahr Ostern und Weihnachten gefeiert wird. Nun wird hier die erste neue christliche Kirche seit Entstehung der Türkischen Republik im Jahr 1923 gebaut - für die aramäischen Christen Istanbuls.

Bei der Grundsteinlegung am Samstag gab es ein bislang einmaliges Bild: Präsident Recep Tayyip Erdoğan inmitten religiöser Würdenträger der verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen in ihren schwarzen Roben, dazu der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu von der säkularen CHP. Nebeneinander stehend drückten sie auf rote Knöpfe, ein symbolischer Startschuss für den Baubeginn. Erdoğan nannte die Kirche, die in etwa zwei Jahren fertig sein soll, "eine Bereicherung" für Istanbul. Er sagte, die Aramäer gehörten von Alters her "zu unserer Geografie".

Nicht immer wurde das so gesehen. Im Osmanischen Reich wurden Aramäer - in deren Sprache Teile der Bibel geschrieben wurden - wie Armenier und Griechen Opfer von organisierter Gewalt und Vertreibung. In den 1990ern flohen viele vor der militanten kurdischen PKK nach Istanbul, Europa und Amerika - aus ihren alten Siedlungsgebieten in Südostanatolien, aus Mardin, Diyarbakır und dem Tur Abdin, wo das berühmte Kloster Mor Gabriel liegt.

Die größte Gemeinde mit etwa 100 000 Menschen lebt in Deutschland, wo sich viele auch Assyrer nennen. In der Türkei soll es noch etwa 25 000 syrisch-orthodoxe Christen geben, davon 17 000 in Istanbul. Sie hatten nur eine Kirche im Zentrum und waren Gäste in anderen Kirchen. Das neue Gotteshaus wird mit Spenden gebaut.

Auch der Vatikan schaltete sich ein

Ein Teil des gesammelten Geldes ging bereits für einen Grundstücksstreit drauf. Auf einem Abschnitt des Baugrunds, den der türkische Staat der Gemeinde gab, lag einst ein katholischer Friedhof. Wird ein Friedhof mehr als 50 Jahre nicht genutzt, fällt der Boden an die öffentliche Hand, sagt die Stadt. Bei dem fraglichen Friedhof waren es etwa 100 Jahre. Die Katholiken sahen das anders und klagten gegen die Stadt. Die Aramäer wandten sich sogar an den Papst. Dessen Botschafter in der Türkei handelte schließlich eine Lösung aus, aber die Aramäer mussten den Katholiken eine sechsstellige Summe spenden.

Yusuf Çetin, Oberhaupt der Aramäer für Istanbul und Ankara, sprach in Yeşilköy von einem "historischen Tag". Die Gemeinde bedankte sich ausdrücklich bei der Regierung für die Unterstützung. In der Türkei konnten zuletzt zwar Kirchen renoviert werden, Neubauten aber wurden bislang nicht genehmigt. Das Land gilt offiziell als zu 99 Prozent muslimisch, auch wenn nicht alle Türken gläubig sind.

Die kleinen christlichen Gemeinden - mit historischen Wurzeln im Osmanischen Reich - kämpften oft jahrzehntelang mit dem Staat um ihren Besitz. Erst seit Erdoğans AKP regiert, seit 2002, wurde vermehrt Eigentum zurückgegeben. Das geschah auch im Zug der Annäherung an die EU. Von der EU-Begeisterung ist zwar wenig übrig, aber die Regierung wirbt inzwischen mit ihrem Einsatz für die Erhaltung einiger christlicher Bauwerke.

Sie erweisen sich auch als Touristenattraktion - wie die 1100 Jahre alte, vor ein paar Jahren restaurierte armenische Kathedrale auf der Insel Akdamar im Vansee. Sie trägt auch wieder ein Kreuz.

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