Türkei:Kein Urteil im Yücel-Prozess

Urteil gegen Deniz Yücel in der Türkei erwartet

Der Prozess gegen Deniz Yücel zieht sich bereits zwei Jahre. Sein Anwalt sprach nun im Schlussplädoyer von einer "juristisch katastrophalen Situation" - und das Gericht vertagte sich.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

Das Istanbuler Gericht vertagt seine Entscheidung im Prozess gegen den ehemaligen Welt-Korrespondenten auf den 16. Juli.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Der Strafprozess gegen den deutschen Journalisten Deniz Yücel in Istanbul ist überraschend vertagt worden. Eigentlich hätte das Urteil gegen den ehemaligen Türkei-Korrespondenten der Tageszeitung Die Welt am Mittwoch ergehen sollen. Das Verfahren gegen den Reporter, dem die Staatsanwaltschaft Propaganda für die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK sowie Volksverhetzung vorwirft, soll nun am 16. Juli fortgesetzt worden.

Yücel, der die Türkei im Februar 2018 nach einjähriger Untersuchungshaft verlassen durfte und nun wieder in Deutschland lebt, war ohne Anklageschrift ab Februar 2017 gefangen gehalten worden; die meiste Zeit davon in Einzelhaft. Yücel erklärte zudem, er sei "drei Tage lang gefoltert worden". Der Fall hatte die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet.

Yücel selbst nimmt am jetzigen Prozess in Istanbul nicht teil. Sein Verteidiger hatte am Mittwoch sein Abschlussplädoyer gehalten und Freispruch in allen Anklagepunkten gefordert. Das Gericht hatte sich anschließend mit der Begründung vertagt, man wolle das Plädoyer erst einmal bewerten. Yücels Anwalt konnte sich auf ein Urteil des türkischen Verfassungsgerichts vom Juni 2019 berufen: Dieses hatte die Untersuchungshaft bereits vor einem Jahr für rechtswidrig erklärt.

Der Journalist, der unter anderem ein Interview mit dem im Untergrund lebenden PKK-Kommandeur Cemil Bayık geführt hatte, habe nur seinen Beruf ausgeübt, so die Verfassungsrichter. Die Inhaftierung habe Yücels Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzt. Außerdem seien die Artikel des Welt-Korrespondenten, die Grundlage der Anklageschrift waren, fehlerhaft ins Türkische übersetzt worden. Das Verfassungsgericht hatte dem Reporter zudem eine Haftentschädigung in Höhe von umgerechnet 3800 Euro zugesprochen.

Der Fall Yücel wirft nun erneut ein Licht auf die Bedrohung der Pressefreiheit in der Türkei: Derzeit sind mehr als 100 Journalisten und Medienschaffende in Haft. Vielen wird ähnlich wie bei Yücel die Unterstützung terroristischer Organisationen vorgeworfen.

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