Süddeutsche Zeitung

Türkei:Hunderttausende kommen zu "Demokratie- und Märtyrer-Versammlung" in Istanbul

Erdoğan will mit der Veranstaltung die Einheit der Türkei demonstrieren. Die zweitgrößte Oppositionspartei im Parlament ist aber nicht eingeladen.

Hunderttausende Menschen sind dem Aufruf Erdoğans gefolgt und gut drei Wochen nach Niederschlagung des Putsches zur "Demokratie- und Märtyrer-Versammlung" zusammengekommen. Medienberichten zufolge werden bis zu 3,5 Millionen Menschen erwartet.

Erdoğan, der zu der Versammlung geladen hatte, traf mit dem Hubschrauber direkt in Yenikapı ein. Bei dem Treffen soll der Sieg der Demokratie über die Putschisten gefeiert und der Opfer gedacht werden. Zuvor soll der Präsident ein Bad in der Menge genommen haben.

An der Seite des Präsidenten: seine Frau Emine. Zu Beginn der Kundgebung wurden die Namen jener verlesen, die bei ihrem Widerstand gegen die Putschisten vom 15. Juli ums Leben gekommen waren.

Die Demonstration findet am offiziellen Istanbuler Versammlungsplatz im Stadtteil Yenikapı am Marmarameer statt. Hierhin, vernab vom Zentrum und dem symbolisch wichtigen Taksim-Platz, werden Demonstranten seit den Gezi-Protesten verbannt. Auch die Anhänger der AKP und des Präsidenten treffen sich hier. Für sie, die in der Regel in Massen zusammenkommen, hat der Ort jedoch vor allem einen Vorteil: er ist sehr groß.

Der türkische Premierminister Binali Yıldırım mit seiner Frau Semiha. Yıldırım, offiziell der AKP-Chef, hat Parteiflaggen untersagt, um eine Veranstaltung über Parteigrenzen hinweg zu ermöglichen.

Die Regierung hatte die Demonstration als Treffen aller politischen Lager beworben, die die Einheit der Türkei demonstrieren soll. Auch Erdoğan hatte seine Anhänger aufgerufen, keine Flaggen der Regierungspartei AKP mitzunehmen. "Wir wollen zusammenstehen als eine einzige Nation, eine einzige Flagge, ein einziges Mutterland, ein einziger Staat, ein einziger Geist", sagte er.

Unter anderem hatte Erdoğan Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu (hier im Bild zu sehen) von der Mitte-Links-Partei CHP und den Vorsitzenden der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, eingeladen. Mit diesen beiden Parteien sucht Erdoğan seit dem gescheiterten Putschversuch den Schulterschluss. Nicht eingeladen zu der Kundgebung wurde die pro-kurdische HDP. Erdoğan wirft der zweitgrößten Oppositionspartei im Parlament Verbindungen zur verbotenen PKK vor.

Die Sicherheitsmaßnahmen waren nach dem Putschversuch und den Anschlägen der vergangenen Monate enorm. Fast 15 000 Polizisten waren im Einsatz, Flugabwehrgeschütze wurden stationiert, zwei Helikopter kreisten über dem Platz. Jeder, der auf das Gelände wollte, musste erst durch einen Metalldetektor und bekam dann eine türkische Flagge und eine Mütze ausgehändigt.

"Einladung unseres Präsidenten und Oberbefehlshabers an unser Volk", steht auf den Transparenten für die "Demokratie- und Märtyrer-Versammlung". Hier ein Plakat, das auf dem Taksim-Platz aufgehängt wurde. "Der Sieg gehört der Demokratie, die Plätze dem Volk", steht klein unter dem Motto der Versammlung.

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