In der Türkei versucht die Staatsmacht nicht einmal mehr, ihr rabiates Vorgehen gegen die Presse zu bemänteln. Diesmal trifft es die Koza-Ipek-Holding, zu der auch regierungskritische Medien gehören. Alle Welt kann zusehen, die Kameras senden live: Polizisten verschaffen sich mit Kettensägen Zutritt, setzen Tränengas ein. Die Justiz wirft dem Konzern "Terrorunterstützung" vor - eine Allzweckwaffe, mit der Regierungsgegner mundtot gemacht werden.
Die AKP-Regierung und ihr Lenker, Präsident Recep Tayyip Erdoğan, schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie stellen ein weiteres Medienhaus kalt, das ihrem Machtanspruch im Weg steht; und sie versetzen der Gülen-Bewegung, der Koza Ipek nahesteht, einen Schlag. Erdoğan fürchtet dieses Netzwerk, weil es immer noch Anhänger in Verwaltung, Polizei und Justiz hat; seit zwei Jahren versucht er es mit allen Mitteln zu zerschlagen. Die Razzia kurz vor der Parlamentswahl signalisiert: Niemand, der gegen mich ist, kann sich sicher fühlen.
Die Demonstration der Stärke zeigt die Nervosität der Machthaber. Das, was die AKP stark gemacht hat, zerbröselt gerade: das Wohlstandsversprechen, die Aussicht auf Stabilität. Die Partei ist von einer verfassungsändernden Mehrheit weit entfernt, auch die absolute Mehrheit könnte sie verfehlen. Die Kampagne gegen aufsässige Medien wird immer hemmungsloser. Sie riecht nach Verzweiflung.
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