Süddeutsche Zeitung

Türkei:Grenzgänger

Türkische Soldaten in Syrien? Für die Gebeine des Großvaters des Gründers des Osmanischen Reiches? Was ein Irrsinn.

Von Ronen Steinke

Falls der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zeigen wollte, wie wenig Mitleid er mit den Kurden hat, war die Kommandoaktion von Samstagnacht dazu sicher geeignet. Ankaras Militär rollte überraschend nach Syrien hinüber, mit der geballten Feuerkraft von 572 Elitesoldaten und 39 Panzern. Vorbei an Kobanê, jener traurigen Stadt, die monatelang von der Terrormiliz IS belagert wurde, während die türkische Armee wenige Kilometer entfernt nur zusah. Vorbei auch an weiterhin belagerten Kurden, die in den kommenden Wochen Schutz gebrauchen könnten.

Das Ziel der türkischen Mission war eine Befreiung - allerdings nicht von Zivilisten, für die es noch nicht zu spät ist, sondern von Gebeinen eines Mannes, der bereits 1236 im Euphrat ertrunken sein soll. Nach wenigen Stunden waren die Soldaten zurück in der Türkei und die Kurden wieder sich selbst überlassen.

Sicher: Türkische Soldaten will niemand in dieser Region, am wenigsten die kurdischen Verteidiger von Kobanê, die in Ankara einen Unterdrücker sehen. Aber zumindest als Grenzwächter hätte die türkische Armee eine wichtige Aufgabe im Kampf gegen den IS. Diese Rolle hat sie bislang eher zweifelhaft ausgefüllt: IS-Kämpfer hat man lange durchgelassen, kurdische Kämpfer zu lange behindert. Die Türkei trifft eine Verantwortung für das, was jenseits ihrer Grenze geschieht, daran erinnert die Kommandoaktion.

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Quelle:
SZ vom 23.02.2015/lala
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