Türkei:Gewalt nach Tod von Rechtsanwalt

Ein bekannter kurdischer Menschenrechtler stirbt bei einer Schießerei im Südosten der Türkei.

Von Mike SZYmanski, Istanbul

Mitten im neu aufgeflammten Kurdenkonflikt ist in der Türkei der bekannte kurdische Menschenrechtsanwalt Tahir Elçi erschossen worden. Gegen elf Uhr am Samstag kam es am Rande einer Pressekonferenz in der Altstadt von Diyarbakır zu einem Schusswechsel auf offener Straße, dabei wurde der 49-jährige Jurist von einer Kugel am Kopf getroffen. Auch zwei Polizisten starben, zehn Menschen wurden verletzt. Während von kurdischer Seite von einem Attentat auf Elçi gesprochen wird, hält die Regierung in Ankara es für möglich, dass der Anwalt in einen Schusswechsel zwischen PKK-Kämpfern und Polizisten geraten ist. In Istanbul ging die Polizei gewaltsam gegen Hunderte Demonstranten vor, die sich dort zum Gedenken an Elçi versammelt hatten.

Tausende Menschen nahmen am Sonntag an der Begräbnisfeier für Tahir Elçi teil. Der Vorsitzende der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtaş, sagte, der Menschenrechtler sei Opfer eines "politischen Mords". Elçi galt als moderat. Er setzte sich für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts ein. Bei seinem Auftritt am Samstag - er hatte dafür ein in den vergangenen Wochen heftig umkämpftes Viertel der "Kurdenhauptstadt" Diyarbakır gewählt - sprach er sich erneut für ein Ende der Gewalt aus. Die Justiz hatte gegen ihn ermittelt, weil er im TV erklärt hatte, dass die verbotene Kurdischen Arbeiterpartei PKK keine Terrorgruppe sei, auch wenn ihre Aktionen Terror-Charakter hätten. Im Oktober war Elçi vorübergehend festgenommen worden; in einem Interview sagte er kürzlich, dass er Morddrohungen erhalte.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte, der Fall zeige, dass die Türkei mit ihrem entschlossenen Kampf gegen den Terrorismus richtig liege. Premier Ahmet Davutoğlu versicherte, die Tat werde aufgeklärt. Der Gouverneur von Diyarbakır verhängte nach der Schießerei eine Ausgangssperre über den Stadtteil. In Istanbul setzte die Polizei am Samstagabend Tränengas und Wasserwerfer gegen Hunderte Demonstranten ein, die sich zum Gedenken an den Anwalt versammelt hatten.

Elçi war Vorsitzender der Anwaltskammer in Diyarbakır. In den Neunzigerjahren, als der Staat im Kampf gegen die PKK jedes Maß verloren hatte und es zu Folter, Verschleppungen und Morden kam, vertrat er die Opfer und ihre Angehörigen. Die US-Botschaft nannte ihn einen "couragierten Verteidiger der Menschenrechte".

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