Türkei:Festnahme statt Familienfeier

Ein Deutscher wird in Istanbul in Gewahrsam genommen. Erst nach Stunden kommt er wieder frei.

Von Christiane Schlötzer-Scotland, Istanbul

In der Türkei ist nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung erneut ein deutscher Staatsbürger vorübergehend festgenommen worden, er wurde aber nach mehreren Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt. Der ehemalige Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Hamburg, Nurali Demir, wurde bei der Einreise auf dem Istanbuler Flughafen von Polizisten in Gewahrsam genommen. Er war mit seiner Tochter auf dem Weg zu einer Familienfeier. Die Hamburger Aleviten haben in der Vergangenheit immer wieder zu Demonstrationen gegen die türkische Regierung aufgerufen. Demir, 51, sagte, ihm sei "Propaganda gegen den türkischen Staat" vorgeworfen worden. Während des Verhörs durch einen Staatsanwalt habe man ihm Screenshots von Facebook-Seiten gezeigt. "Ich benutze Facebook seit sieben Jahren nicht mehr. Ich weiß nicht, wer das gepostet hat", habe er dem Staatsanwalt gesagt.

Ein anderer Deutscher wurde am Freitag in der Türkei aus der Haft entlassen. Damit sei die Zahl der aus politischen Gründen inhaftierten Deutschen auf fünf gesunken, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird in der kommenden Woche zu einem Staatsbesuch in Berlin erwartet.

Die Türkei, wirtschaftlich unter Druck, versucht derzeit, ihre Beziehungen zur EU wieder zu verbessern. Aus Sicht Berlins spielt dabei eine Rückkehr zu einem funktionierenden Rechtsstaat eine entscheidende Rolle. Als positives Zeichen dürfte daher die Freilassung eines prominenten Oppositionsabgeordneten gelten. Enis Berberoğlu, Parlamentarier der größten Oppositionspartei, der CHP, und Journalist, war im Juni 2017 wegen Verrats von Staatsgeheimnissen zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, der Zeitung Cumhuriyet Videomaterial zugespielt zu haben, das nahelegte, dass von der Türkei Waffen an islamistische Rebellen in Syrien geschmuggelt wurden. Der damalige Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar wurde deshalb ebenfalls verurteilt, er lebt inzwischen in Deutschland.

Ein Berufungsgericht entschied am Donnerstag, Berberoğlu, 62, sei wegen seiner Immunität als Abgeordneter auf freien Fuß zu setzen. Das hatte ein anderes Gericht am 10. September noch abgelehnt. Justizminister Abdulhamit Gül wertete die Entscheidung am Freitag als Zeichen der "Unabhängigkeit" der türkischen Justiz. Auch eine Abgeordnete der Kurdenpartei HDP sitzt noch in Haft, die HDP verlangt jetzt ihre Freilassung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: