Süddeutsche Zeitung

Waldbrände:Wie die EU der Türkei hilft

Brüssel hat sein Katastrophenschutzprogramm ausgebaut. Davon profitiert nun auch Ankara - trotz aller Spannungen im beiderseitigen Verhältnis.

Von Björn Finke, Brüssel

Auch die EU hilft beim Kampf gegen die Waldbrände in der Türkei - und Brüssel bietet an, noch mehr zu tun: Ankara bat vor einer Woche um Beistand, mittels des sogenannten Katastrophenschutzverfahrens der EU. Das Koordinierungszentrum für solche Notfälle in Brüssel schickte daraufhin ein Canadair-Löschflugzeug aus Kroatien und zwei aus Spanien in die Türkei. Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarčič, sagte zudem, man stehe "bereit, um noch weitere Unterstützung zu leisten".

Am EU-Katastrophenschutz nehmen neben den 27 Mitgliedstaaten sechs weitere Länder teil: Island, Norwegen, Serbien, Nordmazedonien, Montenegro und eben die Türkei. All deren Regierungen sagen verbindlich zu, bei Notfällen schnell Hilfe ins Ausland zu schicken, etwa Feuerwehrteams, Ärzte oder Löschflugzeuge. Die EU übernimmt mindestens drei Viertel der Kosten für den Transport und Einsatz. Außerdem hat die Kommission aus ihrem eigenen Budget eine Reserve an Löschflugzeugen, Hubschraubern und medizinischer Ausrüstung aufgebaut.

Benötigt eine Regierung Beistand, meldet sie sich beim rund um die Uhr besetzten "Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen" in Brüssel. Das Zentrum organisiert dann rasch Hilfe aus der EU-Reserve oder von den Mitgliedstaaten. Insgesamt gingen seit Start des Programms vor zwanzig Jahren mehr als 420 Anfragen ein - nicht nur aus der EU und den sechs Partnerländern, sondern aus der ganzen Welt. So schickte das Zentrum auch Unterstützung nach der Explosionskatastrophe in Beirut oder bei Waldbränden in Bolivien im vorigen Jahr. Waldbrände waren zuletzt Anlass für jedes dritte Hilfegesuch; in der EU sind nach Angaben der Kommission vor allem Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Kroatien und Griechenland betroffen. Und die Feuer würden immer schlimmer, wie Kommissar Lenarčič klagt.

Im Moment profitiert nicht nur die Türkei von der europäischen Solidarität. Das Brüsseler Krisenzentrum sandte auch zwei Löschflugzeuge aus Frankreich nach Italien sowie zwei zypriotische Maschinen nach Griechenland. In Albanien helfen zwei Hubschrauber aus den Niederlanden und Tschechien bei der Eindämmung der Waldbrände. Zudem schickte Slowenien ein Team von 45 Feuerwehrleuten nach Nordmazedonien.

Der Streit um Nordzypern und Seegrenzen belastet die Beziehungen

Beim Kampf gegen die Pandemie war der EU-Katastrophenschutz ebenfalls beteiligt: Über das Programm wurden Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte verteilt. Als Lehre aus der Krise einigten sich Mitgliedstaaten und EU-Parlament kürzlich darauf, das Budget für diese Aufgaben kräftig aufzustocken. Außerdem erhalten Kommission und Notfallzentrum mehr Kompetenzen.

Die Hilfen der EU für die Türkei kommen zu einem heiklen Zeitpunkt: Die Beziehungen sind belastet, etwa durch den Streit der Türkei mit Griechenland und Zypern über Seegrenzen oder den Disput um die nordzypriotische Geisterstadt Varosha. Die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern hat angekündigt, Teile der verlassenen Küstensiedlung entgegen internationaler Vereinbarungen wieder zu besiedeln. Die EU drohte Ankara prompt mit Konsequenzen, was das türkische Außenministerium wiederum als "realitätsfern" und ohne "Wert und Gültigkeit" bezeichnete. Zugleich ist die EU in der Flüchtlingspolitik auf die Türkei angewiesen; das Land nimmt aufgegriffene illegale Einwanderer zurück und versorgt Millionen Flüchtlinge aus Syrien.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5376802
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.