Süddeutsche Zeitung

Europa:Fragen an Erdoğan

Der türkische Staatschef sucht neue Freunde und umschmeichelt die EU. Ein Grund, sich zu freuen? Erst, wenn er seine repressive Politik korrigiert.

Von Tomas Avenarius

Eine türkische Charme-Offensive gegenüber der EU? Eher irritierend. Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hat in letzter Zeit kaum eine Gelegenheit ausgelassen, den Verantwortlichen in Brüssel und den Mitgliedstaaten die türkischen Leviten zu lesen. In manchem hatte er recht, meist aber unrecht. In der Flüchtlingsfrage, im Streit um das geteilte Zypern und im Konflikt um Erdgas im Mittelmeer hat die Türkei gekeilt und geknüppelt und eine regelrecht autistische Politik betrieben, mit der sie ihre letzten Freunde vergrätzt hat.

Jetzt soll alles wieder anders sein, sieht Erdoğan die Türkei in Europa, wird Süßholz geraspelt. Die Gründe? Die Wirtschaftslage wird immer schlechter, Abhilfe durch ausländische Investoren ist nicht in Sicht. Und in den USA kommt in Joe Biden ein Präsident ins Amt, der für seine kritische Distanz zur Türkei und zu Erdoğan als Person bekannt ist. Daher die neu erwachende Liebe zu Europa.

Umdenken ist immer erlaubt in der Politik. Aber bevor in Brüssel laut gejubelt wird, muss die Türkei Fragen beantworten. Bewegt sich das immer repressiver regierte Land bei der Garantie von Rechtsstaatlichkeit? Schaltet es im Mittelmeer einen Gang herunter, lässt es die Kriegsschiffe im Hafen? Die Liste ist noch viel länger. Gibt es befriedigende Antworten, darf gern gejubelt werden.

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