Süddeutsche Zeitung

Türkei erhöht Druck auf Syrien:Erdogan fordert Assad zum Rücktritt auf

Wegen der blutigen Niederschlagung der Proteste in Syrien stellt sich nun auch die Türkei gegen das Assad-Regime. Der türkische Premier Erdogan warf dem syrischen Machthaber Feigheit vor - und zog einen Vergleich zu Mussolini und Hitler.

Es wird einsam um den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad: Angesichts der anhaltenden Gewalt von Regierungstruppen gegen Demonstranten fordert nun auch die türkische Regierung offen den Rücktritt des syrischen Machthabers. Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden und Frieden für das syrische Volk zu ermöglichen, müsse der Präsident die Macht abgeben, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor Abgeordneten der türkischen Regierungspartei AKP.

In seiner bisher schärfsten Attacke bezichtigte Erdogan seinen früheren Verbündeten der Feigheit. Im Zusammenhang mit Aussagen Assads, er werde bis zum Letzten gegen seine Feinde kämpfen, verwies er auf Diktatoren wie Adolf Hitler, Benito Mussolini und Muammar al-Gaddafi: "Bis zum Tod gegen seine eigenen Leute zu kämpfen, ist nicht Heldentum, es ist Feigheit", sagte der türkische Premier.

Zuvor hatte bereits Staatschef Abdullah Gül den Abtritt von Assad als "unvermeidlich" bezeichnet. Dieser habe die Reformversprechen gebrochen, die er zuvor in der Friedensvereinbarung der Arabischen Liga gemacht habe. Dadurch seien internationale Verhandlungen unmöglich geworden, sagte Gül dem britischen Guardian. Offenbar habe sich die syrische Regierung gegen Reformen entschieden. Die Türkei habe daher "kein Vertrauen" mehr.

Uneinigkeit über internationale Intervention

Gül rief den früheren Verbündeten auf, ohne weiteren Widerstand die Macht abzugeben. Alles müsse getan werden, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Zugleich sprach er sich gegen eine ausländische Intervention aus. Es sei am syrischen Volk, den Wandel herbeizuführen. Erdogan hatte hingegen zuletzt ein Eingreifen des Auslands nicht mehr ausgeschlossen.

Die Verbindungen zwischen der Türkei und Syrien sind traditionell eng. In den vergangenen Monaten hatte Ankara den Ton gegenüber Damaskus wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen die Protestbewegung jedoch stetig verschärft.

Auch am Dienstag gab es wieder Schreckensmeldungen aus Syrien: Nach Angaben der Opposition sollen Regierungssoldaten ein Dorf in der Provinz Homs mit Maschinengewehren angegriffen und vier Bewohner erschossen haben - darunter zwei Kinder. Die Einwohner der Ortschaft hätten eine von den Soldaten verhängte Ausgangssperre ignoriert. Die Region Homs gilt als Zentrum des seit acht Monaten andauernden Volksaufstandes gegen Assad.

Inwiefern die jüngste Meldung zutrifft, lässt sich kaum überprüfen, weil Syrien ausländischen Journalisten den Zutritt ins Land verweigert. Nach Angaben der Vereinten Nationen sollen jedoch seit dem Beginn der Proteste Mitte März mehr als 3500 Menschen gestorben sein.

Das Menschenrechtskomitee der UN-Vollversammlung hat die Regierung in Damaskus wegen der Gewalt gegen das eigene Volk verurteilt. Der Ausschuss des UN-Parlaments verabschiedete am Dienstag in New York mit großer Mehrheit eine auch von Deutschland eingebrachte Resolution, die das Assad-Regime wegen schwerer Menschenrechtsverstöße scharf kritisiert.

Das Papier fordert den sofortigen Stopp der Gewalt gegen Demonstranten und Oppositionelle. Präsident Assad müsse den Aktionsplan der Arabischen Liga für Reformen umgehend umzusetzen und unabhängige Beobachter einreisen lassen.

Die Verurteilung hat jedoch vor allem einen appellativen Charakter, weil die Vollversammlung kein Drohpotenzial hat. Sanktionen kann das Parlament, in dem jedes der 193 UN-Mitglieder unabhängig von der Größe eine Stimme hat, nicht beschließen. Die Abstimmung war noch nicht das Votum der Vollversammlung - das steht erst im Dezember an. Nachdem im Ausschuss 122 der 193 Staaten für das Papier stimmten, gilt eine Verabschiedung aber als wahrscheinlich.

Gegen die Resolution hatten mehrere Staaten - von Venezuela über Kuba und Iran bis hin zu Nordkorea - Front gemacht. Sie griffen die Formulierung des syrischen Botschafters Baschar Dschaafari auf, nach dem die Resolution "ein neuer Versuch der früheren Kolonialherren ist, Arabien zu unterjochen".

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