Türkei:Erdoğans Vision fällt in sich zusammen

Erdogan Türkei Islamischer Staat

Der türkische Staatspräsident Erdoğan hat die Gefahr, die vom IS auch für sein Land ausgeht, nicht sehen wollen.

(Foto: dpa)

Präsident Erdoğan wollte die Gefahr durch den IS nicht sehen. Die Türkei ist verwundbar - und muss Krieg führen.

Kommentar von Mike Szymanski, Istanbul

Die Türkei befindet sich jetzt im Krieg mit den Terrormilizen des Islamischen Staates (IS). Am Freitagmorgen haben drei türkische F-16 Kampfjets Stellungen der Islamisten im Grenzgebiet zu Syrien bombardiert. Die Türkei hat diese Auseinandersetzung nicht gewollt. Sie hatte gehofft, nicht militärisch in diesen Konflikt hineingezogen zu werden.

Das Land hatte Angst davor, dass der Terror den eigenen Boden erreicht. Die Türkei glaubte, der IS würde ihr Land verschonen, wenn die Türkei den IS schont. Aber die Fanatiker schonen niemanden. Der Anschlag auf die kleine türkische Stadt Suruç vom Montag markiert nun einen Wendepunkt in der türkischen Außenpolitik.

Ein 20-jähriger Selbstmordattentäter hatte 31 Männer und Frauen in den Tod gerissen. Eine menschenverachtende Tat - verknüpft mit einer perfiden Botschaft: Wir sind unter euch! Der mutmaßliche Täter ist türkischer Staatsbürger. Er hatte sich wie Hunderte andere Türken dem IS angeschlossen und war in Syrien zum Kämpfer ausgebildet worden. Jetzt rächt sich auf so schmerzhafte Weise, dass die Türkei die Grenzen für IS-Terroristen durchlässig gehalten hat.

Die Türkei wollte die arabische Welt neu formatieren

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat die Gefahr, die vom IS auch für sein Land ausgeht, nicht sehen wollen. Seine Syrien-Politik war geprägt davon, das Assad-Regime zu stürzen und nicht den IS zu bekämpfen. An Syrien wollte Erdoğan der Welt die angestrebte Rolle der Türkei als neue Ordnungsmacht demonstrieren, die in der Lage ist, die arabische Welt neu zu formatieren. Aber Assad stürzte sein Land in den Bürgerkrieg anstatt Reformen zuzustimmen.

Erdoğans außenpolitische Visionen fallen in diesen Tagen in sich zusammen. Im Kampf gegen den IS ist die Türkei jetzt mehr denn je auf die Hilfe des Westens und vor allem der USA angewiesen. Die Türkei ist verwundbar geworden.

Was bleibt vom neuen Selbstbewusstsein der Türken, von der außenpolitischen Eigenständigkeit, von Erdoğans Neo-Osmanismus? Nicht viel.

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