Der türkische Präsident hat Nerven. Vor drei Jahren löste Recep Tayyip Erdoğans Gezi-Bebauungsplan die größten Proteste aus, die seine AKP-Regierung bis dahin erlebt hatte. Wochenlang gingen Hunderttausende auf die Straße, um demokratische Freiheiten zu fordern. Die Polizei griff hart durch, am Ende gab es acht Tote und Tausende Verletzte.
Die Sache endete gewissermaßen unentschieden: Die Gezi-Bewegung fiel erst mal auseinander, Erdoğans Herzensprojekt wurde auf Eis gelegt. Nicht aus Einsicht, wohlgemerkt. Sondern weil diverse Gerichtsurteile dazu zwangen.
Dass der Präsident jetzt eine Neuauflage anstrebt, zeugt von immenser Sturheit - und zeigt, dass er sich stark genug fühlt, um den absehbaren Widerstand auszusitzen oder niederzuschlagen. Wie kein anderes Projekt ist die Bebauung des Gezi-Parks politisch aufgeladen. Erdoğan setzt auf Konfrontation - in einer Zeit, in der das gesellschaftliche Klima ohnehin schon am Siedepunkt ist.
Die AKP hat sich längst vom Anspruch verabschiedet, gesellschaftlichen Frieden zu suchen. Das hat die Partei wieder demonstriert, als ein islamistischer Mob einen Plattenladen überfiel. Dort hatten Musikfans Bier getrunken, was den Sittenhütern ausreichte, um den Laden zu verwüsten.
Der AKP-Bezirksbürgermeister rügte anschließend nicht etwa den Gewaltexzess - sondern die Opfer für ihren provozierenden Alkoholkonsum.