Türkei:Dänemark sagt Treffen mit türkischem Premier ab

  • Präsident Erdoğan kritisierte das Verhalten der niederländischen Regierung als "unanständig" und drohte den Niederlanden mit Konsequenzen.
  • Zwei türkischen Ministern waren zuvor Wahlkampfauftritte in dem Land verboten worden.
  • Ein für nächste Woche geplantes Treffen zwischen dem dänischen Ministerpräsident Rasmussen und seinem türkischen Amtskollegen Yıldırım soll verschoben werden.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen den Niederlanden und der Türkei sind nach verbotenen Wahlkampfauftritten zweier türkischer Minister stark belastet. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Niederlanden erneut gedroht und Ministerpräsident Binali Yıldırım kündigte "schwerste" Gegenmaßnahmen an.

Am Samstag hatte die niederländische Regierung erst dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Landeerlaubnis kurzfristig verweigert. Dann wurde auch noch die per Auto aus Deutschland eingereiste Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya festgesetzt.

Amateurvideoaufnahmen zeigen, wie Kaya mit niederländischen Polizisten diskutiert, die sie am Betreten des türkischen Konsulats hindern. "Dieses Gebäude gehört meinem Land und ich bin eine Ministerin." Ein solches Vorgehen habe es in der internationalen Praxis noch nie gegeben. "Ich akzeptiere das nicht. Ich lehne es ab. Ich werde nicht nach Deutschland zurückkehren." Nachdem sie zur unerwünschten Person erklärt wurde, eskortierten bewaffnete Polizisten die Ministerin noch in der Nacht zur deutschen Grenze. Vom Flughafen Köln-Bonn aus flog sie zurück in die Türkei.

Beide Minister wollten vor Landsleuten in Rotterdam für das Verfassungsreferendum am 16. April werben. Die türkische Verfassung verbietet dies aber eigentlich - sofern man die Auftritte der türkischen Politiker in Europa als Wahlpropaganda wertet. In Artikel 49A heißt es: "Im Ausland und in Auslandsvertretungen darf keine Wahlpropaganda gemacht werden."

Vor dem Konsulat in Rotterdam demonstrierten am Samstagabend mehr als tausend Menschen gegen das Verbot der Wahlkampfauftritte. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen sie vor. Die Beamten nahmen mehrere Demonstranten fest. Sie hätten Sicherheitskräfte mit Steinen und Blumentöpfen attackiert, berichtete die niederländische Nachrichtenagentur ANP. Die meisten seien friedlich abgezogen.

Rutte schließt Entschuldigung gegenüber der Türkei aus

Der niederländische Ministerpräsident machte am Tag darauf klar, dass er sich für seine Entscheidung, die türkischen Minister nicht ins Land zu lassen, nicht entschuldigen werde. "Es steht außer Frage, dass es eine Entschuldigung gibt, sie sollten sich dafür entschuldigen, was sie gestern getan haben", sagte Rutte am Sonntag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Den Haag.

Im französischen Metz hingegen durfte Çavuşoğlu auftreten. Dort bezeichnete er die Niederlande als das Zentrum des Faschismus. Der französische Außenminister Ayrault rechtfertigte die Erlaubnis für den Auftritt in Metz damit, dass er keine Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder eine Einmischung in die französische Politik darstelle.

Die dänische Regierung hat unterdessen angekündigt, ein für nächste Woche geplantes Treffen zwischen Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen und seinem türkischen Amtskollegen Binali Yıldırım verschieben zu wollen. "Unter normalen Umständen wäre es ein Vergnügen, den türkischen Ministerpräsidenten Yıldırım zu begrüßen", teilte Løkke Rasmussens Büro mit. "Aber nach dem jüngsten Angriff der Türkei auf Holland kann das Treffen nicht unabhängig davon gesehen werden."

Wütende Reaktionen aus der Türkei

Wegen der verhinderten Wahlkampfauftritte drohte Präsident Erdoğan den Niederlanden mit Konsequenzen. "Hey Holland, wenn Ihr die türkisch-niederländischen Beziehungen vor den Wahlen am Mittwoch opfert, werdet Ihr den Preis dafür bezahlen", sagte Erdoğan am Sonntag bei einer Preisverleihung in Istanbul. Die Türkei habe noch nicht das getan, was nötig sei. Er kritisierte das Verhalten der niederländischen Behörden als "unanständig". "Das wird nicht ohne Antwort bleiben", sagte er. Der Westen sei "islamophob" und habe sein wahres Gesicht gezeigt. Außerdem warf er deutschen Medien vor, falsch über das angestrebte Präsidialsystem zu berichten. Das deutsche "Staatsfernsehen" verbreite Lügen und Falschmeldungen.

Zuvor hatte bereits Ministerpräsident Yıldırım verärgert reagiert. Er teilte am Sonntag mit, die Antwort darauf werde in der "schwersten Art und Weise" ausfallen. "Unsere so genannten europäischen Freunde, die bei jeder Gelegenheit von Demokratie, freier Meinungsäußerung und Menschenrechten sprechen, sind angesichts dieser Ereignisse ein weiteres Mal eine Klasse sitzengeblieben." Durch solche Ereignisse werde deutlich, wer die "wahren Freunde" seien. Er rief die im Ausland lebenden Türken zudem dazu auf, ruhig zu bleiben.

Nachdem Çavuşoğlu die Landeerlaubnis verwehrt worden war, wurden dem türkischen Außenministerium zufolge die niederländische Botschaft in Ankara und das Konsulat in Istanbul abgesperrt. Dem gerade außer Landes weilenden niederländischen Botschafter wurde bedeutet, dass er für die nächste Zeit nicht in die Türkei zurückkehren solle.

Der Sprecher von Staatspräsident Erdoğan, Ibrahim Kalin, twitterte: "Schande über die niederländische Regierung". Diese habe "anti-islamischen Rassisten und Faschisten" nachgegeben und damit die Beziehungen beider Länder beschädigt. Die Ereignisse markierten einen "schwarzen Tag für die Demokratie in Europa".

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bezeichnete das Verhalten der türkischen Regierung als Erpressung. Ankara habe mit Sanktionen gedroht, sollte ihnen nicht gestattet werden, vor Landsleuten für das Verfassungsreferendum zu werben, sagte Rutte. "Wir können niemals unter dieser Art Erpressung miteinander arbeiten", fügte er hinzu. "Wir haben eine rote Linie gezogen."

Demonstrant hisst türkische Flagge auf niederländischem Konsulat in Istanbul

Am Sonntag kletterte ein Demonstrant auf das Dach des niederländischen Konsulats in Istanbul. Dort tauschte er die niederländische Flagge durch die türkische aus. Videoaufnahmen der Nachrichtenagentur DHA zeigten, wie er auf dem Dach stand und "Gott ist groß" rief. Demnach sei der Mann unerkannt entkommen. Mittlerweile ist auf dem Konsulat wieder die niederländische Fahne gehisst. Wie der Mann in das hoch gesicherte Gebäude gelangen konnte, obwohl es von der Polizei abgeriegelt wurde, war zunächst unklar. Das Außenministerium in Den Haag forderte von den türkischen Behörden, für die Sicherheit niederländischer Diplomaten in dem Land zu sorgen.

Am 16. April sollen die Türken über eine Verfassungsreform abstimmen. Sie würde die Machtbefugnisse des Staatspräsidenten Erdoğan massiv ausweiten. Erdoğan geht derzeit massiv gegen Regierungskritiker vor; viele Oppositionelle, Journalisten und Kurden sind im Gefängnis. In den Niederlanden finden am Mittwoch Parlamentswahlen statt.

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