Süddeutsche Zeitung

Türkei:Merkel verteidigt Flüchtlingspakt

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Die Kanzlerin betont: Das Abkommen mit der Türkei rettet Menschenleben. Doch der Deal droht am Streit über von der EU geforderte Reformen am Anti-Terror-Gesetz zu scheitern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das umstrittene EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei mit Verweis auf gerettete Menschenleben verteidigt. Vom Jahresbeginn bis zum Inkrafttreten des Abkommens im März seien im Meer zwischen der Türkei und Griechenland mehr als 350 Menschen gestorben, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. "Seit dieses Abkommen in Kraft ist, sind sieben Menschen umgekommen." Allein diese Rettung von Menschenleben "lohnt eine solche Abmachung mit der Türkei", sagte die Kanzlerin in Berlin.

Im Streit zwischen der EU und der Türkei über die Visafreiheit zeichnet sich unterdessen weiter keine Lösung ab. Während die Bundesregierung ebenso wie EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Donnerstag nachdrücklich auf Beachtung aller 72 Kriterien durch die Türkei drangen, lehnte die Regierung in Ankara die geforderte Änderung ihrer Anti-Terror-Gesetze ab. "Wir legen größten Wert darauf, dass die Bedingungen, die Voraussetzungen erfüllt sind, sonst wird das nicht stattfinden", sagte Juncker in Berlin. Wenn die Türken damit dann keine Reisefreiheit in der EU genössen, sei das nicht sein Problem, sondern das des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Erpressen lasse er sich nicht, sagte Juncker.

Außenminister Steinmeier findet, der Ball liege nun im Feld der Türkei

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Türkei müsse wie jedes andere Land auch die Bedingungen für eine Visafreiheit erfüllen. "Es kann keine 'Lex Türkei' geben", sagte der SPD-Vorsitzende. Wenn Erdoğan nicht könne oder wolle, könne es die Liberalisierung auch nicht geben. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, der Ball liege nun im Feld der Türkei.

Erdoğan warf der EU vor, erst im Nachhinein neue Hürden aufgebaut zu haben. Die Europäische Union und die Türkei hätten sich längst auf ein visafreies Reisen verständigt und den Deal mit Tinte versehen gehabt. Dann sei die EU mit 72 Kriterien inklusive der Änderung der Anti-Terror-Gesetze gekommen, sagte er in einer im Fernsehen ausgestrahlten Rede. Erdoğan wartet nach eigenen Worten auf eine Zusage zur Visa-Liberalisierung.

Erdoğan schloss ebenso wie der türkische EU-Minister Volkan Bozkır eine Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze aus, die als höchste Hürde für eine Einigung gelten. Er verwies auf den laufenden Kampf der türkischen Armee gegen kurdische Milizen und die Extremistenorganisation Islamischer Staat. Bozkır bestritt Defizite bei der Umsetzung der Verabredungen mit der Türkei. Sein Land habe alle 72 Bedingungen erfüllt. Die Türkei droht damit, wieder Migranten in Richtung EU durchzulassen und das EU-Türkei-Abkommen zu kippen. Auf Grundlage der Anti-Terror-Gesetze wurden in den vergangenen Jahren Dutzende Journalisten und Wissenschaftler festgenommen.

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SZ vom 13.05.2016 / Reuters, AFP
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