Zwei Wochen nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei baut Präsident Recep Tayyip Erdoğan seine Macht weiter aus. Per Erlass hat er sich direkte Kontrolle über das Militär verschafft. Mit dem am Sonntag veröffentlichten Dekret erhalten er und Ministerpräsident Binali Yildirim direkte Weisungsbefugnis gegenüber den Befehlshabern von Heer, Luftwaffe und Marine. Zudem werden Militärschulen geschlossen und eine neue Universität für Verteidigung gegründet. 1389 Personen sollen aus dem Militärdienst entlassen werden, das Militär wird direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt.
Bereits am Samstagabend hatte Erdoğan in einem TV-Interview angekündigt, den Geheimdienst MIT sowie alle militärischen Stabschefs direkt unter seine Kontrolle stellen zu wollen. Er werde ein "kleines Paket" mit Verfassungsänderungen ins Parlament einbringen, sagte Erdoğan dem Fernsehsender Al-Haber.
Erdoğan braucht die Unterstützung der Opposition
Sollten die Maßnahmen verabschiedet werden, würden der Nachrichtendienst MIT und die Stabschefs der Präsidentschaft unterstellt. Da dafür aber eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, ist die türkische Führung auf die Unterstützung von Oppositionsparteien angewiesen.
Die Maßnahmen dürften nach der Festnahme Tausender Regierungsgegner sowie dem radikalen Umbau der Armee nun ein weiterer Versuch Erdoğans sein, seine Macht über Streitkräfte und Geheimdienste auszuweiten. Nach dem Umsturzversuch vor zwei Wochen war ein dreimonatiger Ausnahmezustand verhängt worden.
Wenn sich die Lage nicht bald wieder normalisiere, könne der Ausnahmezustand "wie in Frankreich verlängert werden", sagte der türkische Staatschef. Dort war die Maßnahme nach den November-Attentaten in Paris ergriffen worden. Erdoğans Worten zufolge wurden seit dem Putschversuch knapp 18 700 Menschen festgenommen, zumeist weil sie dem islamischen Prediger Fethullah Gülen nahestehen sollen. Unter ihnen sind unter anderem Staatsbedienstete, Politiker, Wissenschaftler und Journalisten.
Die Türkei spioniert Gülen-Anhänger aus
Die türkische Führung macht den im US-Exil lebenden Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Gülen, ein einstiger enger Verbündeter von Erdoğan, bestreitet aber jede Verwicklung in die versuchte Machtübernahme durch das Militär. Nach Angaben eines Behördenvertreters fing die Türkei bereits lange vor dem Putschversuch verschlüsselte Nachrichten von Gülen-Anhängern ab. Dadurch habe Ankara die Namen von zehntausenden Mitgliedern des Gülen-Netzwerks gehabt, sagte der ranghohe Vertreter, der anonym bleiben wollte.
Demnach begann der türkische Geheimdienst MIT bereits im Mai vergangenen Jahres damit, über die Handy-App ByLock versendete Nachrichten zu entschlüsseln. Darüber seien fast 40 000 Namen von Gülen-Anhängern, darunter die von 600 Militärangehörigen, identifiziert worden. Eine "große Anzahl" der auf diese Weise Identifizierten sei "direkt" in den Putschversuch verwickelt gewesen, sagte der Behördenvertreter.