Türkei:Erdoğans Kronprinz

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Berat Albayrak ist der Schwiegersohn des türkischen Präsidenten - und jetzt dessen Finanzminister. Damit gibt es keinen Zweifel mehr, wen Erdoğan als politischen Erben vorsieht.

Porträt von Christiane Schlötzer

Auf dem ersten Foto des neuen türkischen Kabinetts steht der Präsident in der Mitte, die einzigen beiden Frauen in der langen Männerreihe haben die Plätze neben ihm eingenommen. Berat Albayrak ist erst der fünfte von links. Kein Problem für ihn, der Mann muss seine besondere Nähe zu Recep Tayyip Erdoğan nicht mehr unter Beweis stellen: Albayrak, 40, ist Erdoğans Schwiegersohn, seit 14 Jahren verheiratet mit dessen ältester Tochter Esra. Er kennt den Staatschef vom Küchen- und vom Kabinettstisch.

Der vorangegangenen Regierung gehörte er als Energieminister an, schon das war eine herausgehobene Position. Albayrak ließ andere seine Vertrautheit mit dem ersten Mann im Staate durchaus spüren, legte im richtigen Moment die Hand auf Erdoğans Schulter, stieg zu ihm in den gepanzerten Wagen, während die übrigen Minister dahinter in der Kolonne rollten. Erdoğan schätzt absolute Loyalität, und am meisten vertraut er seiner Familie, sagen Leute aus der Regierungspartei AKP.

Erdoğan hat Albayrak die wichtigste Position unter seinen 16 Ministern gegeben

In der AKP gefällt Albayraks Kronprinzenkarriere nicht allen. Doch dieses Gegrummel hat Erdoğan jetzt ignoriert und damit gezeigt, wer der Herr im Haus ist. Er hat Albayrak die wichtigste Position unter seinen 16 Ministern gegeben: das Finanzressort samt Schatzamt. Bisher war die Zuständigkeit in zwei Ministerien angesiedelt. In einem Tweet bedankte sich Albayrak bei "unserem Staatspräsidenten" und bat: "Mein Gott soll das neue System und die neue Regierung, unser Land und unsere Nation zum Ideal der großen und starken Türkei werden lassen."

Es gab auch andere Tweets. Einer schrieb: "Bei uns schenkt der Schwiegervater dem Schwiegersohn höchstens eine Uhr"; in der Türkei aber überlasse man ihm "gleich den ganzen Staatsschatz". Ein anderer gratulierte so: "Gute Besserung Türkei." In der Internetzeitung Diken hieß es, die Türkei werde jetzt von drei Personen regiert: von Erdoğan, dem Schwiegersohn und dessen Bruder Serhat Albayrak. Der führt die Mediengruppe Turkuvaz, zu ihr gehören die sehr regierungsfreundliche Zeitung Sabah und der ebenso freundlich gesinnte Nachrichtensender A Haber. Alle anderen seien "Komparsen", schrieb Diken.

Berat Albayrak wurde 1978 in Istanbul geboren. Sein Vater Sadık war ein bekannter Kolumnist der islamischen Zeitung Milli Gazete und wie Erdoğan in der islamistischen Vorläuferpartei der AKP engagiert. Die Familien sind seit Langem befreundet. Sohn Berat studierte Betriebswirtschaft, zuerst in Istanbul, später in New York. Erdoğans Tochter Esra lernte er 2003 kennen, als sie an der Universität von Berkeley in Kalifornien studierte. Die Hochzeit fand 2004 in einem Istanbuler Kongresszentrum statt, das Paar hat drei Kinder.

2015 zog Albayrak ins Parlament ein und wurde Energieminister

Albayrak arbeitete für die Çalık-Holding, einen der großen türkischen Bau-, Energie- und Textilkonzerne, die viele Staatsaufträge erhalten. 2007 stieg er mit 29 Jahren zum Chef des Unternehmens auf, das sich dann auch intensiv in der Medienbranche engagierte. 2015 zog er ins Parlament ein und wurde Energieminister; bei Çalık folgte ihm sein Bruder.

Die Lira reagierte auf die Regierungsbildung am Dienstag mit neuen Verlusten. Vor der Wahl hatte die Zentralbank mehrmals mit Zinserhöhungen eingegriffen, um die Währung zu stabilieren. Erdoğan war gegen Zinserhöhungen, aber Mehmet Şimşek, bislang für Finanzen zuständig, hatte stets die Unabhängigkeit der Zentralbank verteidigt. Şimşek gehört der neuen Regierung nicht an; er galt als einer der wenigen, die Erdoğan ab und zu widersprachen. Mit der Ernennung von Berat Albayrak wurde auch ein neues Dekret bekannt: Demnach muss die Amtszeit des Zentralbankgouverneurs nicht mehr fünf Jahre betragen. Die Zeitung Hürriyet erkennt darin eine Schwächung der Bank.

Erdoğan hatte dem Schwiegersohn vor der Wahl seinen Istanbuler AKP-Listenplatz überlassen. Nun gibt es keinen Zweifel mehr, wen er als politischen Erben betrachtet.

© SZ vom 11.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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