Türkei:Endlich raus aus Incirlik

Bundeswehr in Incirlik

Jordanien statt Türkei? Noch stehen die Bundeswehr-Tornados im türkischen Incirlik. Aber nach dem Treffen Gabriels rückt der Abzug deutlich näher.

(Foto: Thorsten Weber/dpa)

Die Bundesregierung hat keine Wahl: Ohne Besuchsrecht für die Parlamentarier können die Soldaten nicht bleiben. Ungleich schwieriger wird, wie es nach Gabriels allerletztem Versuch nun weitergeht - etwa mit dem inhaftierten Deniz Yücel.

Kommentar von Stefan Braun

Hochkomplizierte Momente und sehr einfache Augenblicke: Ein Außenminister kann beides erleben. Hochkompliziert wird es, wenn man bei mürrischen, genervten Gesprächspartnern Wichtiges erreichen möchte. Einfach ist die Lage, wenn selbst in schwierigsten Momenten die Fronten eindeutig geklärt sind. Ersteres gilt seit Langem im Verhältnis zur türkischen Regierung; Letzteres hat sich seit Wochen im Streit um Besuche von Bundestagsabgeordneten bei deutschen Soldaten in Incirlik ergeben. Deshalb ist die Reise nach Ankara für Sigmar Gabriel in grundsätzlich schwierigen Zeiten ein sehr einfacher Moment geworden.

Der Grund ist schlicht: Für Berlin hat es im Streit um Incirlik keinen Verhandlungsspielraum mehr gegeben. Entweder Ankara kommt zu dem Schluss, dass ihm das Verhältnis zum Nato-Partner Berlin doch zu wichtig ist, um dauerhaft über Besuche von einigen deutschen Abgeordneten zu streiten. Oder es bleibt bei seiner harten Haltung, dann werden die deutschen Tornados abgezogen. Dazwischen konnte es für eine deutsche Regierung keine Lösung geben. Es wäre nicht akzeptabel gewesen, den Einsatz ohne Besuchsrecht für deutsche Parlamentarier fortzusetzen. Insofern ist es nicht überraschend, dass der Streit so ausgeht. Überraschend ist, dass er sich so lange hinzog.

Die Entscheidung war einfach, aber sie kommt viel zu spät

Und das hat nicht nur mit der innenpolitischen Lage in der Türkei zu tun, in der Recep Tayyip Erdoğan monatelang jeden Konflikt mit Berlin nutzte, um sich als besonders starker türkischer Herrscher zu präsentieren. Längst hat das innenpolitische Folgen auch in Deutschland. Alle Parteien im Parlament, von Union bis Linkspartei, sind im Streit um Incirlik ungewöhnlich nahe beieinander. Jede klare Linie wird unterstützt; jedes weitere Wackeln, Verhandeln, gar Einlenken hätte Probleme bereitet. Deshalb ist die Lage für Gabriel in dieser Frage so bequem geworden. Er konnte in Ankara seinen Willen demonstrieren, auch allerletzte Versuche zu unternehmen. Das Gespräch selbst aber blieb unkompliziert. Nach dem Motto: Yes or no? Okay, let's go!

Die Situation wird durch ein Ende des Streits um Incirlik aber nicht einfach besser. Eine Verlegung nach Jordanien wäre für die deutschen Piloten kein Vergnügen; die Sicherheitslage ist dort gelinde gesagt komplizierter. Noch gravierender aber könnten die Gefahren sein, die von einer weiteren Entfremdung zur Türkei ausgehen. Eine Abkehr von Europa, ein Partner im wachsenden Streit mit der Nato - wer den Blick weitet, sieht schnell, was passieren kann, wenn der Abzug aus Incirlik wie eine Beschleunigung in die falsche Richtung wirken sollte. Der Streit um Verbleib oder Abzug von sechs deutschen Tornados ist so viel weniger wichtig als alles, was sich ihm anschließen könnte.

Zumal zu befürchten ist, dass es sehr konkrete Leidtragende gibt, Menschen wie die Journalisten Mesale Tolu und Deniz Yücel, die weiter inhaftiert sind. Ja, dieser Besuch war relativ einfach; alles andere wird schwer werden.

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