Türkei:Drei Steckbriefe zur Entspannung

Türkei: Für die Ergreifung von Duran Kalkan (links), Murat Karayılan (Mitte) und Cemil Bayık (rechts) haben die USA eine hohe Belohnung ausgesetzt.

Für die Ergreifung von Duran Kalkan (links), Murat Karayılan (Mitte) und Cemil Bayık (rechts) haben die USA eine hohe Belohnung ausgesetzt.

(Foto: Archive/Social Media)

Die USA lassen für Millionen Dollar nach Kurdenführern fahnden. Dies soll das Verhältnis zur Türkei verbessern.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Grauhaarig ist einer der drei, kahl ein anderer, ein bisschen rundlich sind sie alle. Die Herren sind schließlich Mitte sechzig. Es gibt täuschend harmlose Fotos, auf denen wirken Murat Karayılan, Cemil Bayık und Duran Kalkan wie Vorlese-Opas aus dem Kindergarten - abgesehen von der feldgrauen Kluft. Andere Bilder haben Steckbriefcharakter: Die USA haben für Hinweise zur Ergreifung der Guerilla-Großväter Karayılan, Bayık und Kalkan eine Belohnung von insgesamt zwölf Millionen Dollar ausgesetzt. Die drei gehören zur ersten Generation der Kurdischen Arbeiterpartei, kurz PKK, und sie agieren als deren Anführer, seit Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imralı sitzt, seit 1999. In der Türkei, den USA und der EU gilt die PKK als Terrororganisation. Seit 40 Jahren führt sie mit kurzen Pausen im Südosten der Türkei einen blutigen Krieg gegen die Armee und den Staat.

Das Kopfgeld hat damit eher wenig zu tun. Es soll zwar Frieden stiften, aber nicht zwischen Türken und Kurden, sondern zwischen Ankara und Washington. Die Beziehungen waren zuletzt äußerst schlecht. Zwei Jahre war der amerikanische Pastor Andrew Brunson in der Türkei in Haft und Hausarrest gewesen, bevor er im Oktober ausreisen durfte. Danach gab es etwas Entspannung. US-Präsident Donald Trump ließ Strafzölle auf türkische Stahlimporte wieder zurücknehmen. Sie hatten im August die türkische Lira in den Abgrund gezogen. Aber es gibt noch genug Streit - und dies unweit der türkischen Grenze, im syrischen Manbidsch zum Beispiel.

Dort lud die US-Armee am Montag dieser Woche zum traditionellen Veterans Day - in Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren - die Männer der Syrian Democratic Forces (SDF) zum Dinner. Das Rückgrat dieser Truppe, mit der die USA kooperieren, bildet die kurdische YPG, die Miliz der syrischen Kurdenpartei PYD. YPG und PYD sind nach Überzeugung der türkischen Regierung aber nichts anderes als "der syrische Arm der PKK". Ibrahim Kalın, außen- und sicherheitspolitischer Berater von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, sagt: "Die USA haben den falschen Partner gewählt, wir werden das niemals akzeptieren." Das Kopfgeld für das PKK-Trio sei deshalb nur ein Täuschungsmanöver, Washington wolle vorgaukeln, PKK und PYD seien nicht dasselbe. "Millionen Dollars für die PYD landen bei der PKK", sagt Kalın und verlangt, Trump müsse die von seinem Vorgänger Barack Obama begonnene Unterstützung der syrischen YPG beenden.

Das PKK-Trio empfängt in den irakischen Bergen seit Jahrzehnten Besucher

Die Situation in Syrien ist kompliziert, aber die Türkei hat ihre roten Linien schon gezogen: Sie will kein von der kurdischen YPG dauerhaft kontrolliertes Territorium dulden. Gemeinsame Patrouillen von US-Soldaten und YPG-Kämpfern nahe der türkischen Grenze hat Erdoğan lautstark verurteilt. Jüngst drohte er gar mit einer Intervention östlich des Euphrat, so wie im März im syrischen Afrin. Das könnte zu einer direkten Konfrontation mit den USA führen. "Seit die türkische Armee und die mit ihr verbündeten Milizen die Kontrolle über Afrin übernommen haben, arbeitet Erdoğan daran, dasselbe östlich des Euphrat zu tun", schreibt das Analyseportal Al Monitor. Solange die YPG mit den USA verbündet bleibe, werde Ankara sich dies allerdings zweimal überlegen, meint der Autor Fehim Taştekin. Und die Amerikaner würden die YPG nicht aufgeben, "bevor sie nicht ihre Ziele erreicht haben: die Eindämmung des iranischen Einflusses und die Vernichtung des IS".

Washington versucht in diesem Doppelspiel nun offenbar, beide Seiten irgendwie zu beruhigen. Türkische Medien zitierten am Donnerstag einen hohen anonymen US-Regierungsvertreter mit den Worten: Die Partnerschaft mit der YPG sei "vorübergehend und taktischer Natur".

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Kurden von mächtigen Bündnispartnern im Stich gelassen werden, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Kompliziert wird die Lage auch durch die innertürkischen Entwicklungen. Erdoğan hatte einst selbst Frieden mit der PKK gesucht, davon ist jedoch nichts geblieben. Die legale türkische Kurdenpartei HDP ist für Erdoğans AKP innenpolitische Konkurrenz, die Regierung hat viele ihrer führenden Leute verhaften lassen, darunter den Stimmenfänger Selahattin Demirtaş. Der Vorwurf: Terrorpropaganda. Auch der HDP unterstellt Ankara Nähe zur PKK. So bleibt kein Partner mehr für einen Friedensprozess. Und Erdoğan drohte bereits, auch nach der Kommunalwahl im März 2019 könnten gewählte HDP-Bürgermeister vom Staat abgesetzt werden. Entspannung ist nicht in Sicht.

Eigentlich müsste der Aufenthaltsort des PKK-Triumvirats den Geheimdiensten bekannt sein. In ihrem Hauptquartier im Nordirak, in den Kandil-Bergen, empfangen die drei seit Jahrzehnten Besucher, darunter türkische Journalisten. Die Ex-Reporterin des Wall Street Journal, Ayla Albayrak, gehörte nicht dazu, sie hatte aber über den Kurdenkonflikt geschrieben. Im Oktober 2017 wurde sie wegen Terrorpropaganda zu gut zwei Jahren Haft verurteilt. Sie hat die türkische und die finnische Staatsbürgerschaft, das half ihr aus dem Land. Am Mittwoch hob ein türkisches Gericht das Urteil auf. Ende einer "schwarzen Komödie", twitterte die Journalistin, "aber kein wirkliches Zeichen für größere Pressefreiheit in der Türkei". Womöglich aber ein weiterer Beleg dafür, dass die Türkei im Konflikt mit den USA doch nach Deeskalation strebt.

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