Türkei:Die Stimmen der Mörder

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Medien zitieren von den Tonbändern, die die Bluttat an dem Journalisten Khashoggi aufgezeichnet haben. Zu hören ist auch ein Vertrauter des saudischen Kronprinzen.

Von Alan Cassidy, Dunja Ramadan und Christiane Schlötzer, Istanbul

Die Türkei hat versucht, im Mordfall Khashoggi den Druck auf Saudi-Arabien noch einmal zu erhöhen. Unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise veröffentlichte die Webseite Habertürk am Dienstag erstmals Zitate der Gespräche im saudischen Generalkonsulat von Istanbul. Dort wurde der Journalist und Regimekritiker am 2. Oktober getötet. Auf den Bändern ist demnach zu hören, wie Jamal Khashoggi ruft: "Lass' meinen Arm los, was denken Sie, was Sie da tun." Zu hören seien zudem Geräusche eines Kampfes, von "Schlägen" und "Folter". Und die Stimmen von sieben Männern.

Türkischen Sicherheitsquellen zufolge, so heißt es weiter, sei einer der Männer als Mahir Mutrib identifiziert worden. Er soll gesagt haben: "Verräter. Du wirst zur Rechenschaft gezogen werden." Das Stimmprofil sei mit Stimmproben verglichen worden, die bei der Einreise des Mannes von Grenzbeamten aufgenommen wurden. Amerikanische Medien haben Mutrib als regelmäßigen Begleiter des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, kurz "MbS", identifiziert. Mutribs Stimme sei auch in 19 Telefongesprächen mit Saudi-Arabien zu hören. Vier dieser Gespräche seien mit dem persönlichen Berater von MbS, Saud al-Qahtani, geführt worden. Die türkische Zeitung Hürriyet schrieb außerdem, Khashoggi sei vor seinem Tod noch gedrängt worden, seinem Sohn Salah in Riad eine Botschaft zu schicken, was er aber verweigerte. Das Blatt schließt daraus, Khashoggis Mörder wollten eine Legende stricken, die später ihre Unschuld beweisen sollte. Khashoggis Sohn durfte Saudi-Arabien monatelang nicht verlassen. Inzwischen konnte er in die USA ausreisen, aber erst, nachdem die Regierung in Riad ein Foto veröffentlicht hatte, das zeigt, wie MbS dem jungen Khashoggi kondoliert.

Am Dienstag stellte sich US-Präsident Donald Trump in der Khashoggi-Affäre zum wiederholten Mal hinter den saudischen Kronprinzen. In einer ungewöhnlichen Medienmitteilung, die er mit den Worten "Amerika zuerst!" einleitete, schrieb Trump, dass es sehr wohl sein könne, dass bin Salman von der Ermordung Khashoggis gewusst habe: "Vielleicht hat er und vielleicht auch nicht!" In jedem Fall würden die USA ein "standhafter Partner" Saudi-Arabiens bleiben. "Sie sind ein großartiger Verbündeter in unserem sehr wichtigen Kampf gegen Iran", so Trump. Zuletzt hatte er den Verdacht gegen bin Salman als "voreilig" bezeichnet.

Mit seiner jüngsten Stellungnahme stellte der Präsident ein weiteres Mal die Erkenntnisse seiner Geheimdienste infrage. Die CIA ist nach übereinstimmenden Medienberichten zum Schluss gekommen, dass der saudische Kronprinz durchaus über den Mord an Khashoggi Bescheid wusste. Laut Trump sind die Geheimdienste immer noch daran, alle Informationen auszuwerten. Indes wächst im Kongress der Druck auf den US-Präsidenten. Der Republikaner Bob Corker, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, kündigte an, sollte Trump den mutmaßlichen Drahtzieher des Mordes nicht bestrafen, werde dies der Kongress tun.

Der saudische Außenminister Abdel Al-Dschubeir warnte am Dienstag davor, mit Verdächtigungen gegen das Königshaus eine "rote Linie" zu überschreiten. Das Regime hat sich damit erstmals zu Vorwürfen gegen bin Salman geäußert. Der Zeitung Al-Sharq al-Awsat sagte der Minister: "Wir im Königreich wissen, dass solche Behauptungen völlig falsch sind, und wir weisen sie entschieden zurück." Man werde keine Versuche zulassen, den König oder den Kronprinzen anzutasten. Am Montag sprach erstmals seit Beginn der Khashoggi-Affäre auch der saudische König Salman, Vater von MbS, vor dem Schura-Rat. Der 82-Jährige erwähnte den getöteten Journalisten nicht, sondern lobte lediglich die saudische Justiz für ihre Bemühungen sowie die Wirtschaftsreformen seines Sohnes.

In den USA steigt der Druck auf den Präsidenten, Abstand zu nehmen von bin Salman

Die Rückendeckung durch den greisen Vater trifft wohl nicht die Stimmung innerhalb des Königshauses. Laut der Nachrichtenagentur Reuters versuchen Angehörige der Herrscherfamilie derzeit, die Thronfolge von MbS zu verhindern. Im Gespräch sei Prinz Ahmed bin Abdulaziz, der jüngere Bruder von König Salman. Der Prinz kehrte Ende Oktober nach einem zweimonatigen Aufenthalt in London zurück nach Riad. Er war fast 40 Jahre lang Vize-Innenminister und gilt als Kritiker von MbS. Der wird Ende November in Buenos Aires zum G-20-Gipfel erwartet, wo er erstmals seit der Khashoggi-Affäre auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und Trump treffen wird.

© SZ vom 21.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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