Süddeutsche Zeitung

Türkei:Deutscher in Antalya verhaftet

  • Ein 36-jähriger deutscher Staatsbürger mit türkischen Wurzeln ist in der Türkei veraftet worden.
  • Nach Informationen von WDR, NDR und SZ wird ihm wegen mehrerer Facebook-Einträge von der türkischen Justiz "Terrorpropaganda" vorgeworfen.
  • B.s deutscher Anwalt spricht von einem "reinen Meinungsdelikt" seines Mandanten.

Von Reiko Pinkert, Hamburg, und Christiane Schlötzer, Istanbul

In der Türkei ist erneut ein deutscher Staatsbürger mit türkischen Wurzeln verhaftet worden. Der 36-jährige Osman B. wollte nach eigenen Angaben mit seiner Familie in der Türkei Urlaub machen, als er am 28. Juli in Antalya bei der Einreise am Flughafen festgenommen wurde. Nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung wird ihm wegen mehrerer Facebook-Einträge von der türkischen Justiz "Terrorpropaganda" vorgeworfen. Damit könnte ihm eine mehrjährige Haftstrafe drohen. Das Auswärtige Amt ist über den Fall informiert. Osman B. wurde 1983 in Gaziantep in Südostanatolien geboren. Seit 2011 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft, aus der türkischen wurde er 2012 entlassen. Er lebt mit seiner Familie in Hessen und arbeitet als Lagerist. Der Haftrichter entschied, dass er wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft bleiben müsse.

Es ist die erste bekanntgewordene Festnahme eines deutschen Staatsbürgers wegen seiner Internetaktivitäten, seit der türkische Innenminister Süleyman Soylu im März bei einem Wahlkampfauftritt sagte: "Da gibt es jene, die in Europa und in Deutschland an den Veranstaltungen der Terrororganisation teilnehmen und dann in Antalya, Bodrum und Muğla Urlaub machen." Man habe für sie "Maßnahmen" ergriffen, sie sollten ruhig kommen. "Wir nehmen sie fest - und los!", sagte Soylu damals nach Angaben der staatlichen Agentur Anadolu. Die Äußerungen machten großen Wirbel. Das Innenministerium in Ankara betonte danach, Urlauber aus Deutschland würden weiterhin "mit der traditionellen türkischen Gastfreundschaft empfangen".

Im Visier hat die Regierung in Ankara offenbar vor allem Deutsche mit türkischen Wurzeln. In den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amts heißt es, Festnahmen deutscher Staatsangehöriger erfolgten vielfach im Zusammenhang mit regierungskritischen Beiträgen in sozialen Medien. Schon das "Liken" eines fremden Beitrags könne ausreichen.

B. habe bei einer Anhörung angegeben, er bereue seine Beiträge

Osman B. soll in seiner Anhörung durch einen Richter zugegeben habe, er habe vor einigen Jahren Beiträge auf seinem Account geteilt, die er nun bereue. Er sprach angeblich von "Eseleien". Mit einem zweiten Account, den ihm die Behörden zur Last legen und auf dem auch Bilder von Abdullah Öcalan, dem seit 1999 inhaftierten Führer der militanten kurdischen PKK, zu sehen sind, habe er nichts zu tun, soll B. bei seiner Vernehmung auch gesagt haben. Auf diesem Profil finden sich Videos von PKK-nahen Veranstaltungen in Deutschland. Die PKK gilt in der Türkei als Terrororganisation, ebenso wie in Deutschland, wo ihre Aktivitäten auch verboten sind. Osman B. gab in dem Verhör zudem an, ihm sei vor etwa zwei Jahren sein Account gestohlen worden, womöglich habe ihn jemand anderer benützt.

Im vertraulichen Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Türkei werden die möglichen Folgen für Osman B. benannt. Das Papier liegt WDR, NDR und SZ vor, darin heißt es: "Problematisch ist die sehr weite Auslegung des Terrorismusbegriffs durch die Gerichte. So kann etwa (...) das Teilen von Beiträgen mit PKK-Bezug in den sozialen Medien bei entsprechender Auslegung bereits den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen." Und bei bewiesener Teilnahme an einer PKK-nahen Demonstration im Ausland müsse man "mit einer Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen." Darauf stehen bis zu 15 Jahre Haft.

B.s deutscher Anwalt Berthold Fresenius spricht von einem "reinen Meinungsdelikt" seines Mandanten und sagt, er hoffe, dass sich deutsche Diplomaten entschieden für dessen Freilassung einsetzen. Der deutsche Konsul in Antalya könne B. wohl aber erst Anfang September aufsuchen, da gerade Gerichtsferien und Feiertage seien. In der Türkei sind derzeit sieben Deutsche aus politischen Gründen in Haft. Die türkische Botschaft in Berlin äußerte sich auf Anfrage von WDR, NDR und SZ nicht zu dem Fall.

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SZ vom 07.08.2019/fie
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