Süddeutsche Zeitung

Wegen angeblicher "Propaganda":Deutscher Staatsbürger darf die Türkei nicht verlassen

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Von Nicolas Richter und Karaman Yavuz

In der Türkei ist abermals ein deutscher Staatsbürger wegen angeblicher "Propaganda für eine Terrororganisation" festgesetzt worden. Dem 56-jährigen Adnan Sütcü, der in München lebt, wird nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorgeworfen, er habe mit Posts auf Facebook eine Terrorgruppe unterstützt. Sütcü war am 27. Dezember in Ankara gelandet, nach eigenen Angaben wollte er an der Beisetzung seiner verstorbenen Mutter teilnehmen. Kurz nach der Ankunft wurde er festgenommen und schließlich wieder freigelassen, allerdings mit der Auflage, sich täglich bei der Polizei zu melden und das Land nicht zu verlassen. Am Montag sollte ein türkisches Gericht darüber entscheiden, ob Sütcü vorerst in der Türkei bleiben muss oder gegen Kaution ausreisen darf. Die Entscheidung wurde aber verschoben, sie wird erst im neuen Jahr fallen. Sütcü muss Silvester nun in der Türkei verbringen, statt wie geplant in München.

In den Facebook-Posts, die Sütcü nun zur Last gelegt werden, soll es um die Forderung nach einem unabhängigen Kurdistan gegangen sein. Dies steht in der Türkei unter Strafe. Unklar bliebt zunächst, welche Terrororganisation Sütcü genau unterstützt haben soll. Sütcü erklärte dem Vernehmungsprotokoll zufolge, er könne sich nicht erinnern, ob er die Posts abgesetzt habe. Er habe aber mit einem unabhängigen Kurdistan nichts zu tun und lehne Gewalt ab.

Sütcü lebt seit Jahrzehnten in Deutschland. Er sagt, er habe sich nie für terroristische Organisationen eingesetzt, allenfalls für den linken Kurdenverband Komkar. Das Auswärtige Amt erklärte auf Anfrage, der Fall sei bekannt und der Mann werde konsularisch betreut.

Seit Oktober verschärfte Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes

Es ist nicht der erste Fall dieser Art. In den vergangenen Monaten sind immer wieder Deutsche türkischer Abstammung wegen angeblicher staatsfeindlicher Umtriebe in Schwierigkeiten geraten. Mal wurden sie bei Reisen in die Türkei festgesetzt, einmal leitete sogar eine deutsche Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein auf Bitten türkischer Kollegen. In der Türkei sind 49 Deutsche inhaftiert, in fünf Fällen geht das Auswärtige Amt davon aus, dass das Strafverfahren politisch motiviert ist.

Im Oktober hatte das Amt seine Sicherheitshinweise für die Türkei verschärft. "In den letzten beiden Jahren wurden vermehrt auch deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert. Festnahmen und Strafverfolgungen deutscher Staatsangehöriger erfolgten mehrfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien", heißt es. Ausreichend sei im Einzelfall das Teilen oder "Liken" eines fremden Beitrags entsprechenden Inhalts. Im Falle einer Verurteilung drohe eine mehrjährige Haftstrafe.

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