Türkei:Chronologie des Terrors in der Türkei

Police secure the area near an Istanbul nightclub in Turkey

Polizist in Istanbul

(Foto: REUTERS)

2017 beginnt in der Türkei so, wie 2016 aufgehört hatte: Mit Toten. Seit eineinhalb Jahren wechseln Anschläge des IS, der PKK und PKK-naher Organisationen einander ab.

Bei einem bewaffneten Angriff auf einen Nachtklub in Istanbul kommen mindestens 39 Menschen ums Leben, 69 werden verletzt. Der Täter soll sich als Weihnachtsmann verkleidet Zugang ins "Reina" verschafft haben und dann um sich geschossen haben. Wer hinter dem Attentat steckt, ist noch nicht bekannt.

Es ist die jüngste innerhalb einer ganzen Reihe von tödlichen Attacken, die vor eineinhalb Jahren ihren Anfang in einer kleinen türkischen Stadt an der Grenze zu Syrien nahm. Seither wechseln sich Anschläge der PKK, PKK-naher Organisationen und des IS ab - eine Chronologie:

20. Juli 2015, Suruç: Ein Selbstmordattentäter sprengt sich in einem Kulturzentrum in die Luft und reißt 34 Menschen mit in den Tod, mehr als 70 werden verletzt. Unter den Toten sind vor allem junge Menschen. Sie hatten sich in dem Zentrum getroffen, um Unterstützung für die nur wenige Kilometer entfernte syrische Stadt Kobanê zu organisieren. Kobanê, das zu dieser Zeit von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angegriffen und dabei in Schutt und Asche gelegt wird, gilt als Schwesterstadt von Suruç, aufgrund der geografischen Nähe und der mehrheitlich kurdischen Bevölkerung in beiden Städten. Viele Kurden in der Türkei haben Verwandte auf syrischer Seite. Die türkischen Behörden machen den IS für den Anschlag verantwortlich.

Der Anschlag von Suruç gilt als Wendepunkt in den türkisch-kurdischen Beziehungen. Die verbotene kurdische Untergrundorganisation PKK und andere ihr nahestehende Organisationen geben dem türkischen Staat die Schuld für den Anschlag. Die Regierung habe ihrer Meinung nach den IS unterstützt oder zumindest gewähren lassen, um auf diese Weise den syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Als Vergeltung für Suruç töten PKK-Kämpfer daraufhin mehrere Polizisten. Der Jahre andauernde und mühsam gepflegte Friedensprozess zwischen Kurden und Türken ist damit beendet - im mehrheitlich kurdisch geprägten Südosten der Türkei bricht der Konflikt gewaltsam auf.

10. Oktober 2015, Ankara: Bei einer Friedensdemonstration kurdischer Gruppen, linker Vereine und Gewerkschaften sprengen sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft. Es ist der verheerendste Anschlag in der Geschichte der Türkei. 102 Menschen sterben bei dem Attentat auf einem der zentralsten Plätze der türkischen Hauptstadt, Hunderte werden verletzt. Auch hinter diesem Anschlag wird der IS vermutet.

12. Januar 2016, Istanbul: Mitten in einer Gruppe deutscher Touristen, die in der historischen Istanbuler Altstadt gerade den Obelisken besichtigen, zündet ein Selbstmordattentäter - vermutlich ein Syrer, der als Flüchtling in die Türkei kam - eine Bombe. Zwölf Deutsche und ein Peruaner sterben. Der schon schwer angeschlagene Tourismus bricht daraufhin völlig ein.

17. Februar 2016, Ankara: Wieder ist die Hauptstadt das Ziel, als beim Angriff auf einen Militärkonvoi 29 Menschen, zumeist Soldaten, sterben. Ziel des Anschlags, der sich im Regierungsviertel und in unmittelbarer Nähe zum Hauptquartier der türkischen Streitkräfte ereignete, sind Busse, die gerade Militärangehörige zu ihrer Unterkunft transportieren. Als der Armeekonvoi an einer roten Ampel hält, detoniert direkt daneben eine Autobombe. Die Extremistengruppe "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) bekennt sich zu dem Anschlag. Die TAK ist eine aus der PKK hervorgegangene Splittergruppe.

13. März 2016, Ankara: Nicht einmal einen Monat später folgt der nächste Anschlag. Zwei Attentäter der TAK zünden am zentralen Kızılay-Platz an einer Bushaltestelle eine Autobombe. 38 Menschen sterben. Der Kızılay-Platz ist ein wichtiger Verkehrskontenpunkt in Ankara, er ist gewissermaßen das Herz der Hauptstadt, vergleichbar mit dem Taksim-Platz in Istanbul.

19. März 2016, Istanbul: Wenige Tage später geht in Istanbuls belebtester Straße, der İstiklal Caddesi, eine Bombe hoch. Fünf Menschen sterben, darunter der Selbstmordattentäter. Dutzende werden verletzt. Bei dem Attentäter soll es sich um einen Türken mit Verbindungen zum IS handeln. Drei der Todesopfer kommen aus Israel (zwei Israelis hatten auch die amerikanische Staatsbürgerschaft); auch ein iranischer Tourist kommt ums Leben.

Gaziantep, Diyarbakir, Istanbul - der Terror geht weiter

7. Juni 2016, Istanbul: Wieder schlägt die TAK zu. Diesmal trifft es einen Polizeibus, zwölf Menschen sterben. Der Anschlag ereignet sich wieder in der Altstadt Istanbuls, wenige Meter vom Großen Basar und der Istanbul Universität entfernt.

28. Juni 2016, Istanbul: Drei Selbstmordattentäter reißen am Atatürk-Flughafen mehr als 44 Menschen mit in den Tod, mehr als 200 werden verletzt. Premierminister Binali Yıldırım macht den IS für die Tat verantwortlich.

20. August 2016, Gaziantep: Ein Attentäter sprengt sich inmitten einer kurdischen Hochzeitsfeier in die Luft. Mehr als 50 Menschen sterben, 90 weitere werden verletzt. Staatspräsident Erdoğan stuft die Tat als Terroranschlag ein und bezeichnet den IS als "mutmaßlichen" Drahtzieher. Täter soll ein 12 bis 14 Jahre altes Kind gewesen sein. Gaziantep ist etwa 70 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, die Gebiete dahinter kontrolliert der IS.

4. November 2016, Diyarbakir: Bei einem Bombenattentat vor dem Polizeihauptquartier werden neun Menschen getötet. Die Regierung macht zunächst die PKK verantwortlich, doch auch der IS bekennt sich zu der Tat.

10. Dezember 2016, Istanbul: Nach einem Fußballspiel im Stadtteil Beşiktaş töten zwei Selbstmordattentäter der radikalen Splittergruppe TAK 45 Menschen, die meisten von ihnen Polizisten.

20. Dezember 2016, Ankara: Ein Attentäter erschießt den russischen Botschafter Andrej Karlow. Augenzeugen berichten, der Mann habe Parolen wie "Wir töten keine Frauen und Kinder in Aleppo wie ihr" gerufen. Russland wertet die Tat als Terroranschlag, doch ob und welche terroristische Organisation hinter dem Anschlag steckt, ist unbekannt.

1. Januar 2017, Istanbul: Ein Attentäter erschießt im Nachtklub "Reina" 39 Menschen, viele Dutzend werden verletzt. Der Ort ist hochsymbolisch, der Klub eine der angesagtesten Location in der Metropole. Unter den Toten sind mindestens 16 Ausländer. Wer für den Anschlag verantwortlich ist, ist bislang unklar.

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