Tourismus und Corona:Kurzer Spaß in der Türkei

Türkei-Tourismus in Corona-Zeiten

In Vor-Corona-Zeiten tummelten sich an diesem Strand in Antalya die Badegäste - noch im Juni lag er verwaist da. Und nun - ist die Türkei Hochrisikogebiet.

(Foto: Ozan Kose/AFP)

Diese Urlaubssaison sollte unbedingt ein Erfolg werden, doch nun ist die Türkei Hochrisikogebiet - wegen zu wenig Impfungen bei gleichzeitigen Lockerungen.

Von Deniz Aykanat

Der Spaß dauerte nur kurz. Vor eineinhalb Monaten hatte die Bundesregierung die Reisewarnung für die gesamte Türkei aufgehoben. Urlaubsfreuden und Verwandtschaftsbesuchen stand nichts mehr im Weg, zumal die türkische Regierung Anfang Juli auch viele Corona-Regeln aufhob: Nächtliche Ausgangssperren entfielen, Restaurants und Bars öffneten, Hochzeiten und Feste mit vielen Gästen waren wieder erlaubt. Bilder aus Touristen-Hotspots wie etwa in der Nähe von Antalya mit brechend vollen Ausgehvierteln machten die Runde. Schon da drängte sich die Frage auf, ob das gutgehen kann.

Spätestens seit vergangener Woche ist klar: Es geht nicht gut. Da erklärte die Bundesregierung die Türkei zum Hochrisikogebiet - mitten in der Urlaubssaison. Wer von einem Türkeibesuch nach Deutschland heimkehrt und weder geimpft noch genesen ist, muss seit Dienstag für zehn Tage in Quarantäne. Die dortigen Corona-Fallzahlen sind wenige Wochen nach Beginn der Lockerungen rasant angestiegen, und dieser Trend hält an. Etwa 20 000 neue Fälle werden täglich registriert. Allein am Montag starben 165 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19.

Dabei sah es zunächst danach aus, als würde Ankara die Pandemie in den Griff bekommen. Im Januar rollte eine Impfkampagne an, die Regierung gab das ambitionierte Ziel aus, bis Ende Juni alle über 20-Jährigen impfen zu wollen, insbesondere alle im Tourismus tätigen Menschen. Zunächst lief es gut, die Zahlen sanken erheblich. Doch dann geriet die Kampagne ins Stocken. Zeitweise fehlte es an Vakzin, auch eine gewisse Impfmüdigkeit - wie in vielen Ländern - hat sich eingestellt.

Mittlerweile haben etwa 44 Millionen Menschen dem türkischen Gesundheitsministerium zufolge eine erste Impfdosis erhalten, mehr als 33 Millionen sind vollständig geimpft. In Deutschland, mit annähernd gleicher Einwohnerzahl, liegt der Wert bei mehr als 52 Millionen erst- und fast 48 Millionen vollständig geimpften Menschen. Auch hier finden sich immer weniger Impfwillige. Der Unterschied ist aber: In Deutschland gab es nicht so großzügige Lockerungen wie in der Türkei. Schleppender Impffortschritt in Kombination mit zu starken Lockerungen wird der Türkei nun zum Verhängnis.

Die Türkei setzt auf die "Samtsaison"

Nach einem desaströsen Jahr 2020 sollte diese Urlaubssaison ein Erfolg werden - koste es, was es wolle. Die Einstufung als Hochrisikogebiet kommt für die Tourismusbranche in der Tat zur Unzeit. Zumal das Urlaubsgeschäft einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren ist. Die Deutschen spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Türkei ist nach Spanien und Italien das beliebteste Urlaubsland der Deutschen. Sie sind die zweitgrößte Urlaubergruppe in der Türkei. Nur Russen kommen mehr ins Land - wenn nicht gerade die Präsidenten Putin und Erdoğan im Clinch liegen. Öffentliche Stellen und der staatliche Rundfunk halten sich mit Reaktionen auf die Einstufung ungewöhnlich stark zurück. Noch im vergangenen Sommer hatte Ankara Berlin vorgeworfen, der türkischen Tourismusbranche absichtlich schaden zu wollen.

Dieses Jahr war der Schaden offenbar auch vorher schon groß genug. Das Land wird seit Wochen von verheerenden Waldbränden und einer Flutkatastrophe mit vielen Toten gebeutelt, die Menschen werfen der Regierung schlechtes Krisenmanagement vor. Und so liest man statt markiger Worte optimistische Berichte über die "kadife sezonu", die "Samtsaison" im Herbst, die laut türkischer Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı dieses Jahr von Russen wieder ausgiebig gebucht wird. Ob das diese Urlaubssaison noch retten kann, ist fraglich.

Zur SZ-Startseite

Flüchtlinge in der Türkei
:Die Stimmung droht zu kippen

Bislang hat die Türkei eine offene Flüchtlingspolitik betrieben. Dann wird ein junger Türke erstochen und in Ankara kommt es zu heftigen Krawallen. Doch die Ausländerfeindlichkeit ist nicht nur spontan, sie wird auch politisch orchestriert.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: