Süddeutsche Zeitung

Freihandelsabkommen:Gewerkschaften und Globalisierung

Lesezeit: 1 min

Den Abschied von Arbeitnehmerrechten befürchtet die IG Metall durch TTIP. Die Kanzlerin versucht, die Ängste zu zerstreuen.

Von Detlef Esslinger, Frankfurt

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versteht nach eigener Darstellung nicht, warum so viele Gewerkschafter das geplante Freihandelsabkommen (TTIP) mit den USA ablehnen. Es werde so getan, als ob die Vereinigten Staaten ein Land seien, bei dem man das Allerschlimmste befürchten muss, sagte Merkel am Mittwoch auf dem Kongress der IG Metall in Frankfurt. "Ja!", riefen daraufhin viele Delegierte. Die Kanzlerin quittierte das mit der Bemerkung "Also . . ." und einigen Sekunden Sprechpause.

Merkel warb für TTIP, indem sie erzählte, kein Gewerkschafter habe Einspruch eingelegt, bevor vor vier Jahren das Handelsabkommen mit Südkorea in Kraft trat. Nur die Vertreter der Autoindustrie hätten "permanent" vor ihrer Tür gestanden. Damals sei es im Wesentlichen aber nur um Zölle gegangen - während mit den USA auch über Verbraucherschutz und Umweltstandards verhandelt werde. "Wir werden dabei keinen EU-Standard ändern", sagte Merkel, "und wir haben die Chance, dass zwei Wirtschaftsräume, die nicht die schlechtesten Standards auf der Welt haben, künftig die Maßstäbe setzen." Die TTIP-Verhandlungen seien der "erste vernünftige Schritt" zur Gestaltung der Globalisierung. "Und ausgerechnet da liefern wir uns so einen Kampf."

Der neue IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann hatte am Vormittag erklärt, warum er das Abkommen ablehnt. Bei den Standards würden beide Seiten sich wohl nur "auf den kleinsten gemeinsamen Nenner" einigen. Was Arbeitnehmerrechte betreffe, werde der in Verhandlungen mit den USA "gleich null" sein, beim Umwelt- und Klimaschutz "nahe null". Dies zementiere, dass deutsche Standorte mit Lohndumping konfrontiert seien - zum Beispiel als Folge von Gewerkschaftsbekämpfung in den US-Südstaaten. "Ein Land, das bis heute die ILO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert hat, ist kein fairer Handelspartner", sagte Hofmann. Die ILO (Internationale Arbeitsorganisation) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Zu ihren Kernarbeitsnormen zählen das Recht auf freie Gewerkschaften und Tarifverhandlungen sowie die gleiche Bezahlung von Mann und Frau für gleichwertige Arbeit. Die Zusicherungen der Regierung könnten "uns doch nicht beruhigen", sagte Hofmann.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2702235
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.10.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.