Süddeutsche Zeitung

Tsipras in Moskau:Hunderte Millionen Euro von Putin - "einfach so"

  • Russlands Präsident Putin stellt Griechenland Hunderte Millionen Euro an Einnahmen durch eine Pipeline in Aussicht. Tsipras äußert sich aber aus Rücksicht auf die EU-Partner zurückhaltend.
  • Die geplante Gas-Pipeline Turkish Stream ersetzt die ursprünglich geplante Route durch das Schwarze Meer und Bulgarien. Putin hatte das Projekt im vergangenen Dezember überraschend für tot erklärt.
  • Auch am zweiten Tag brachte der Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras in Moskau keine konkreten Ergebnisse - außer dass ein Neuanfang in den Beziehungen beschworen wurde.
  • Mehrere europäische Politiker hatten Tsipras bereits im Vorfeld der Reise gewarnt, aus der EU-Sanktions-Politik gegen Russland auszuscheren. Griechenland hat kaum Möglichkeiten, Sonderkonditionen mit Moskau auzuhandeln ohne gegen EU-Recht zu verstoßen.

Von Julian Hans und Daniel Brössler, Moskau/Brüssel

Für Alexis Tsipras müssen die Worte des russischen Präsidenten verlockend geklungen haben: Hunderte Millionen Euro stellte er dem von der Staatspleite bedrohten Griechenland in Aussicht als Einnahmen aus dem Transit russischen Gases von der türkischen Grenze in die südlichen Länder der Europäischen Union. Hunderte Millionen "einfach so", wie Wladimir Putin es formulierte.

Doch trotz dieses Versprechens beließ es der griechische Ministerpräsident bei einer zwar überschwänglich formulierten, am Ende aber unverbindlichen Absichtserklärung. Sein Land sei sehr an der Pipeline interessiert - "im Rahmen der griechischen und der europäischen Gesetze". Und damit war Brüssel wieder im Spiel, dessen Rolle Moskau mit seinen neuen Plänen gern kleingehalten hätte.

Seitdem Putin im Dezember bei einem Besuch in Ankara überraschend das Pipeline-Projekt South Stream für gestorben erklärt hat, läuft zwischen Moskau und Brüssel ein Vabanquespiel um die Gasversorgung Europas.

Statt South Stream jetzt Turkish Stream

South Stream sollte jährlich 63 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas über den Boden des Schwarzen Meeres nach Bulgarien befördern und den bisherigen Weg über die Ukraine in die EU ersetzen. Ein Konsortium, dem neben dem Mehrheitseigner Gazprom auch der italienische Energieversorger Eni, die französische EDF und die deutsche BASF angehören, sollte die Leitung betreiben. Im Sommer 2014 wurden die Bauarbeiten unterbrochen. Die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union erlauben nicht, dass einem Gaslieferanten auch die Leitungen gehören. Gazprom will darauf nicht verzichten.

Stattdessen soll Turkish Stream nun nach 660 Kilometern auf der alten South-Stream-Strecke abbiegen und nach weiteren 250 Kilometern nahe dem Ort Kiyiköy an der türkischen Küste landen. Die Europäer könnten sich das russische Gas ja dann an der türkisch-griechischen Grenze abholen, meinte Putin im Dezember. Der Besuch des hilfebedürftigen Tsipras am Mittwoch und Donnerstag war eine willkommene Gelegenheit, um ihnen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen.

Seit Anfang des Jahres wird in Ankara und Moskau mit Hochdruck an dem neuen Projekt gearbeitet. Gazprom-Chef Alexej Miller und der türkische Energieminister trafen sich mehrmals, um über Machbarkeitsstudien zu beraten. 16 Milliarden Kubikmeter will die Türkei abnehmen - darauf hat Moskau einen Rabatt versprochen, dessen Höhe noch nicht feststeht.

Gas-Geschäft mit China läuft schleppender an als von Moskau erhofft

Die übrigen 47 Milliarden Kubikmeter sollen durch eine 180 Kilometer lange Leitung über Land an die EU-Grenze geführt werden. Der erste Strang in die Türkei soll nach Gazprom-Angaben Ende 2016 fertig werden. Experten rechnen frühestens 2018 mit einer Fertigstellung.

Obwohl auch mit Ankara bisher nur Vorverträge geschlossen sind, machte Miller im Januar noch einmal deutlich, dass Russland es ernst meint. South Stream sei tot, Turkish Stream die einzige Route, die das russische Gas im Umfang von 63 Milliarden Kubikmetern, die zurzeit durch die Ukraine befördert werden, transportieren könne. "Es gibt keine anderen Optionen", teilte er mit.

Um die entsprechende Infrastruktur an der türkisch-griechischen Grenze aufzubauen, blieben den Europäern nur ein paar Jahre, "das ist ein sehr, sehr enger Zeitplan". Andernfalls könnten diese Gasmengen an andere Märkte verkauft werden.

An den anderen Märkten läuft es derweil nicht ganz so rund, wie Moskau sich das wünschen könnte. Die Leitung mit dem stolzen Namen "Kraft Sibiriens", die China versorgen soll, wird frühestens in vier Jahren fertig. Die Finanzierung, für die sich Moskau einen Vorschuss aus Peking erhofft, steht noch nicht.

EU-Kommission zweifelt an Bedeutung griechischer Obstexporte nach Russland

Derweil brachte auch Tsipras' zweiter Tag in Moskau keine konkreten Ergebnisse. Nach einem Treffen mit Premierminister Dmitrij Medwedew beschworen beide zwar den Neuanfang in den Beziehungen, Medwedew blieb aber nicht mehr zu sagen, als dass er "hoffe, dass es neben dem politischen Teil des Besuchs auch andere Resultate" gebe.

In Brüssel ließ derweil der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Luft zumindest aus einem Thema, das Tsipras und seine Leute vor und während der Moskau-Reise aufgeblasen hatten: Griechenlands angeblich hohe Verluste, die entstanden sein sollten, weil Russland als Vergeltung wegen der Sanktionen ein Einfuhrverbot für Obst und Gemüse aus der EU verhängt hatte.

Das müsse man "im Zusammenhang" sehen, sagte der Sprecher. "Der russische Markt hat nur zwei Prozent der griechischen Agrarexporte ausgemacht", stellte er klar. Als Folge des russischen Embargos seien andere Abnehmerländer gesucht und von Griechenland recht erfolgreich gefunden worden. So seien die griechischen Erlöse aus Obstexporten sogar um 30 Millionen Euro gestiegen.

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SZ vom 10.04.2015/cmy
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