Tschetschenienkrieg:Moskau räumt erstmals Verletzung von Menschenrechten ein

Überraschendes Eingeständnis: In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland zum ersten Mal zugegeben, dass es während des Tschetschenienkriegs zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. In dem Prozess ging es um einen Überfall auf ein Dorf mit vielen zivilen Opfern.

Russland hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erstmals eine Menschenrechtsverletzung im Tschetschenienkrieg eingestanden. Der Gerichtshof verurteilte Moskau am Donnerstag zur Zahlung von insgesamt 1,16 Millionen Euro Schmerzensgeld an 13 Beschwerdeführer, die damals 18 Angehörige verloren hatten.

"Die Regierung akzeptierte, dass die Grundrechte der Beschwerdeführer verletzt wurden, auch hinsichtlich des Einsatzes von Gewalt und der fehlenden Untersuchung des tödlichen Angriffs", lautet der entscheidende Satz in dem EGMR-Urteil.

Hintergrund war ein überraschender Militäreinsatz gegen ein Dorf in Tschetschenien im Jahr 2000 mit vielen zivilen Opfern. Die Tschetschenen klagten, das Recht auf Leben ihrer Angehörigen sei verletzt worden; außerdem hätten die Behörden die Umstände des tödlichen Angriffs nicht untersucht.

Das Dorf Aslambek-Scheripowo galt damals als sichere Zone. Befehlshaber der russischen Streitkräfte hatten den Bewohnern zugesichert, es werde keine Angriffe geben, solange es dort keine bewaffneten Kämpfer gebe. Aus diesem Grund wurden die Menschen von dem Artillerieangriff am 17. Februar 2000 völlig überrascht. Sie hatten erklärt, dass keine Kämpfer in ihr Dorf gekommen waren. Bei dem Angriff starben etwa 30 Personen, 25 Menschen wurden verletzt.

Russland weist Behauptungen in der Regel zurück

Nicht zum ersten Mal wurde Russland in Straßburg wegen eines brutalen Übergriffs von Soldaten auf Zivilisten im zweiten Tschetschenienkrieg (1999-2009) verurteilt. In der Regel weist die russische Regierung in ihren Stellungnahmen die Behauptungen der Kläger zurück, dass die Angreifer russische Militärs gewesen seien.

Das weitestgehende Eingeständnis war bisher, dass in einigen Fällen Moskau der Darstellung der Kläger "nicht widersprochen" habe.

Der Tschetschenienkrieg hat tiefe Wunden hinterlassen. Auch heute noch erschüttern trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen Terroranschläge das verarmte frühere Kriegsgebiet im Nordkaukasus etwa 1500 Kilometer südlich von Moskau.

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