Andrej Babiš:Der große Spalter Tschechiens

Czech Prime Minister Andrej Babis Campaigns Ahead Of Election

Aus Sicht vieler Kritiker hat Premier Andrej Babiš mit seinem Wahlkampf die Gesellschaft zerrissen.

(Foto: Getty Images)

Andrej Babiš hat Chancen auf eine Wiederwahl, obgleich ihn nun die Pandora-Enthüllungen unter Druck bringen. Wie der Premier sein Land entzweit und sich so an der Macht halten will.

Von Viktoria Großmann

Es war das erste Augustwochenende, es war heiß, der Premier wollte am Wahlkampfstand südöstlich von Prag ein paar Kugeln Eis an die Leute verteilen und sein neues Buch signieren. Stattdessen wurde er mit Eiern beworfen. Wegen seiner Corona-Politik. Die Pandemie hat mehr als 30 000 Menschen in Tschechien das Leben gekostet, im Verhältnis viel mehr als in Deutschland. Doch den Eierwerfern waren die Auflagen noch zu hart.

Andrej Babiš ist gern nah dran an den Leuten, sein Team hat im Wahlkampf Bilder verbreitet, die einen schlanken Herrn mit kurzem grauen Stoppelhaar zeigen, der hier eine Oma drückt, da einen Hund streichelt, voll auf Augenhöhe mit Jugendlichen redet. "Ich werde mich für euch zerreißen", steht auf einem der Wahlplakate des 67-Jährigen, der zum zweiten Mal Ministerpräsident werden will. Aus Sicht vieler Kritiker hat er mit seinem Wahlkampf bisher aber eher die Gesellschaft zerrissen. Am Freitag und Samstag wird ein neues Parlament gewählt, und in Umfragen liegt seine Partei vorn - mal ziemlich knapp, mal ziemlich deutlich.

Weder die Eier der radikalen Impfgegner, noch die Vorwürfe der Opposition, durch zögerliche und verwirrende Corona-Maßnahmen zu wenig zur Rettung von Menschenleben in der Pandemie unternommen zu haben, konnten Babiš wirklich schaden. Nun wurden kurz vor der Wahl die Pandora Papers veröffentlicht, die nahelegen, dass der Premier vor seiner Politiker-Karriere über einen Immobilienkauf in Frankreich Geld gewaschen haben könnte. Babiš weist das zurück, die tschechische Polizei hat Ermittlungen angekündigt.

Für die Opposition ist das ein weiterer Grund, gegen Babiš zu kämpfen. Er und seine Anhänger sehen darin böswillige Propaganda. "Die neuen Erkenntnisse führen zu weiterer Polarisierung", analysiert Milan Nič von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik die Lage. "Und Polarisierung nutzt Babiš." Babiš hat selbst viel dafür getan, die Gesellschaft zu spalten. Er schürte Angst vor Zuwanderung und angeblicher muslimischer Überfremdung - wenn auch, wie selbst viele Kritiker sagen, wohl mit wenig eigener Überzeugung. Aber sein Kurs hat Erfolg. Seine Gegner verunglimpft Babiš als Volksverräter und Verbotsideologen.

"Seine Regierung blockiert alles", sagt eine Oppositionelle

Schwere Zeiten für die Opposition, die kaum aus dem Verteidigungsmodus kam und wenig Luft für andere Themen hatte als den Kampf gegen Babiš. Olga Richterová, stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei, fasste es im Gespräch vor ein paar Wochen so zusammen: "Wir möchten auch gern übers Klima reden. Aber zuerst müssen wir Babiš ablösen, seine Regierung blockiert alles." Auch beim Umweltschutz, so Richterová, nütze es den Firmen des Premiers, wenn nicht allzu genau hingeschaut wird.

Die Liste der Vorwürfe gegen Babiš ist lang: der Interessenkonflikt, in dem ihn die EU-Kommission wegen seiner Firmenbeteiligungen sieht; mehrfache Ermittlungen und Prozesse, eine Geldstrafe wegen Medienbesitzes, seine mutmaßliche Tätigkeit für den Geheimdienst der ČSSR. Sogar seinen Sohn soll er zeitweise entführt haben, damit dieser im Falle mutmaßlichen Subventionsbetrugs nicht aussagen könne.

Es sind Gründe genug für Babiš, um an der Macht bleiben zu wollen, um besser vor möglicher Strafverfolgung geschützt zu sein. Er sei in die Politik gegangen, um etwas gegen die Vetternwirtschaft und die "Justiz-Mafia" zu unternehmen, das ist Babiš' Erzählung, die er in seinem Buch "Wovon ich träume, wenn ich zufällig mal schlafe" ausbreitet. Die Kernaussagen: Erstens, ich bin wie ihr. Zweitens, ich arbeite hart und andauernd.

Zumindest der erste Punkt ist falsch. Andrej Babiš, geboren in Bratislava, gilt als der reichste Slowake und immerhin noch als der fünftreichste Mann Tschechiens, sein Vermögen schätzt Forbes auf 3,4 Milliarden US-Dollar. Das tschechische Durchschnittseinkommen liegt bei etwa 1350 Euro monatlich.

Olga Richterová, 36, ist aus demselben Grund in die Politik gegangen, den auch Babiš' angibt: wegen der Amigo-Wirtschaft namentlich der konservativen Partei ODS, die letztlich über ihre eigenen Machenschaften stürzte und seit 2013 in der Opposition sitzt. Richterovás Piratenpartei steht für eine linksliberale Politik, lange lagen die Piraten in Umfragen auf dem zweiten Platz hinter ANO, im Frühjahr führten sie sogar die Beliebtheitswerte an. Doch um an die Regierung zu kommen, müssten die Piraten mit der ODS zusammenarbeiten, die auch von Babiš' umworben wird.

Tatsächlich befinden sich ODS und Piraten bereits in verschiedenen Koalitionen. Zuerst schmiedeten die Piraten ein Bündnis mit der etwas konservativeren Bürgermeisterpartei Stan. Dann schloss sich auch die ODS mit zwei kleineren Parteien zur Wahlkoalition "Spolu" zusammen, derzeit liegen sie auf Platz zwei. Diese Wahlbündnisse, so sieht es nun aus, müssen miteinander eine Koalition eingehen, wollen sie eine weitere Amtszeit von Babiš verhindern. Fünf Parteien gegen eine.

Doch auch Babiš müsste möglicherweise unliebsame Bündnisse eingehen, um weiter an der Macht zu bleiben. Sein jetziger Koalitionspartner, die sozialdemokratische ČSSD, schafft es vielleicht nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Für diesen Fall bietet sich die rechtsextreme SPD unter ihrem Anführer Tomio Okamura an, einem Corona-Leugner und Impfgegner. Doch um weiter regieren zu können, lässt sich Babiš vielleicht auch mit Eierwerfern ein.

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