Süddeutsche Zeitung

Präsidentenwahl in Tschechien:Wer war der Spion?

In Tschechien kandidieren zwei Männer mit kommunistischer Vergangenheit für das Präsidentenamt. Beide werfen sich gegenseitig Geheimdiensttätigkeiten vor. Einer aber steht heute für die Werte der EU.

Von Viktoria Großmann, Prag

Zum Abschluss des Wahlkampfs schafft es Petr Pavel noch, den Altstädter Ring in Prag zu füllen. Tausende Anhänger des Kandidaten für das Präsidentenamt strömen am frühen Mittwochabend ins Zentrum, die tschechische Trikolore und Europaflaggen werden geschwenkt, Menschen tragen Baseballkappen, auf denen "General" steht, mehrere haben Plakate mitgebracht mit der Aufschrift "Pavel na Hrad" - Pavel auf die Burg, den Sitz des Präsidenten. An diesem Freitag und Samstag wird in Tschechien ein neuer Präsident gewählt.

Die Parole erinnert an die Zeit der Samtenen Revolution 1989, als die Menschen skandierten: Havel na Hrad. Der im kommunistischen Regime immer wieder inhaftierte Dichter und Dissident Václav Havel wurde tatsächlich der erste Präsident der demokratischen Tschechoslowakei und später Tschechiens.

Beide Kandidaten kommen bei der ersten Wahl auf etwa 35 Prozent

Petr Pavel, General außer Dienst, stand damals auf der anderen Seite. Er war Mitglied der kommunistischen Partei und Fallschirmjäger in der Armee der ČSSR. Heute erhoffen Millionen Menschen in Tschechien von ihm die Fortsetzung von Havels politischem Erbe. Der 61-Jährige, der zuletzt dem Militärausschuss der Nato vorsaß, steht heute für ein weltoffenes, demokratisches Tschechien, das in EU und Nato als verlässlicher Partner auftritt. Pavel verspricht "Ordnung und Ruhe", will dem Amt "Würde" zurückgeben. "Beenden wir Lügen und Chaos", lautet einer seiner Slogans.

Nur zwei Stunden nach dem letzten Auftritt seiner Wahlkampftour im Zentrum Prags trifft Petr Pavel im Studio des Privatsenders CNN Prima auf seinen Herausforderer Andrej Babiš. Der ehemalige Premier und heutige Oppositionsführer im Abgeordnetenhaus hatte bei der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen nur ein paar Tausend Stimmen weniger erhalten als Pavel, beide hatten etwa 35 Prozent erreicht und alle anderen Kandidaten weit hinter sich gelassen. Mehrere von ihnen unterstützen seitdem Petr Pavel.

Schon beim ersten Wahlgang war die Beteiligung mit mehr als 68 Prozent historisch hoch. Meinungsforscher sehen nun bei Pavel den entscheidenden Vorsprung. Pavel könne mehr Wähler mobilisieren, Babiš hingegen habe bereits fast alle Anhänger erreicht und setze eher darauf, Pavels potenzielle Wähler abzuschrecken.

Babiš greift direkt an: Petr Pavel sei "ein typischer Repräsentant des Totalitarismus". Wie übrigens auch die konservativ-liberale Regierung unter Petr Fiala. Babiš bezeichnet Pavel immer wieder als Kandidaten der Fünferkoalition, was er eigentlich nicht ist. Die Regierung hatte keinen Kandidaten aufgestellt, aber unter anderem Pavel, der parteilos ist, offen unterstützt.

Pavel bedauert die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei, Babiš streitet alles ab

"Pavel ist der erfolgreichste Spion, der vom Warschauer Pakt und dem KGB ausgebildet wurde. Und er hat es an die Spitze der Nato geschafft. Gratuliere", sagt Babiš im CNN-Fernsehduell. Petr Pavel kontert: "Als ich an der Sicherheit in der bereits freien tschechischen Republik mitgearbeitet habe, hat Babiš mit früheren Geheimdienstmitarbeitern Agrofert aufgebaut." Mit dieser Unternehmensholding wurde der heute 68-jährige Babiš zum fünftreichsten Mann Tschechiens.

Für einige Beobachter dieser Wahl ist die frühere Verstrickung beider Kandidaten in die kommunistische Vergangenheit des Landes eines der Hauptprobleme dieser Präsidentschaftswahl. Doch selbst die Kritiker Pavels räumen ein, dass dieser mit seiner Vergangenheit offen umgeht, keine Fragen unbeantwortet lässt und seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei heute bedauert.

Babiš hingegen streitet auch im Fernsehduell am Mittwoch erneut alles ab. Aber tatsächlich ist es nicht Pavel, der in Dokumenten des Geheimdienstes als Mitarbeiter geführt wird, sondern Babiš. Solche Papiere sind in der Slowakei offen einsehbar und gelten als echt. Auch über Agrofert-Mitgründer und Mitarbeiter existieren laut tschechischen Medien entsprechende Unterlagen.

Es ist erst das dritte Mal, dass in Tschechien der Präsident direkt gewählt wird, zweimal gewann Miloš Zeman, der nun nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Der tschechische Präsident ernennt und entlässt Regierungen, ruft Wahlen aus, ernennt Generäle, Verfassungsrichter und den Direktor der Nationalbank.

Schon Präsident Zeman, der Babiš unterstützt, schreckte vor Lügen nicht zurück

Zeman hatte stets die Babiš-Regierung unterstützt und hat auch im jetzigen Wahlkampf erklärt, er werde Babiš wählen. In seinen eigenen Wahlkämpfen schreckte Zeman vor offensichtlichen Lügen nicht zurück. So hatte er 2013 seinem Herausforderer Karel Schwarzenberg vorgeworfen, dieser wolle Sudetendeutschen frühere Besitztümer im heutigen Tschechien zurückgeben - das stimmte nicht, schadete Schwarzenberg aber.

Babiš und sein Wahlkampfteam setzten auf ein naheliegendes Thema: Krieg und Frieden. So hieß es auf einem von Babiš' Plakaten: "Ich ziehe Tschechien nicht in einen Krieg hinein. Ich bin Diplomat, kein Soldat." Auf einem anderen: "Pavel glaubt nicht an den Frieden. Wählen Sie den Frieden, wählen Sie Babiš."

In einer Debatte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens verstieg sich Babiš dann am Sonntag zu der Aussage, er werde keine Truppen schicken, falls Polen angegriffen werde - eine Aussage, die in den polnischen Medien zumindest für einen Tag die deutsche Panzerdebatte aus den Schlagzeilen verdrängte. Babiš bedauerte die Aussage später.

Doch sein Ziel, Angst zu verbreiten, hat Andrej Babiš möglicherweise erreicht. Während Petr Pavel seine Überparteilichkeit betont, sieht Babiš sich auf Seiten "der Menschen, nicht der Regierung". Pavel bittet, mit Verstand abzustimmen - doch das Finale verspricht noch sehr emotional zu werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5739505
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/mcs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.