Süddeutsche Zeitung

Tschechien und EU-Reformvertrag:Ein Querkopf weniger

Vaclav Klaus beugt sich dem Druck der EU und wird den Vertrag von Lissabon doch ratifizieren. Aber mit seiner Hinhaltetaktik hat er dem eigenen Land geschadet.

Klaus Brill

Der Druck wirkt. Tschechiens Staatspräsident Vaclav Klaus will offenbar nicht mit dem Kopf durch die Wand und wird am Ende den Lissabonner Vertrag und die darin enthaltene EU-Reform nicht im Alleingang aufhalten. Es ist gut, dass er das jetzt signalisiert hat.

Europas Regierungschefs können nun in größerer Gelassenheit eine Formel aushandeln, die nach bewährter Art die Gegensätze vereint: Der Querkopf aus Prag darf sein Gesicht wahren, ohne dass er seinen wahren Willen bekommt. Der Rest ist Geschichte.

Im Nachhinein zählt die Zäsur, die der Lissabonner Vertrag für die Neuorganisation der Union darstellen wird. Er erschwert gerade die Quertreibereien einzelner Länder, die damit alle anderen erpressen könnten.

Vaclav Klaus ist bis an die Grenze des Erträglichen gegangen. Und ebenso haben die 17 Prager Senatoren mit ihrem Einspruch beim Verfassungsgericht die Nerven der EU-Partner aufs äußerste strapaziert.

Zu klar trat während des Verfahrens ihre wahre Absicht zutage. Sie wollten nicht nur von einem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen, sondern durch eine systematische Verzögerung möglichst viel Sand ins Getriebe der Ratifikation streuen.

Sie schadeten damit dem eigenen Land, wie es auch Klaus getan hat. Ihr tieferes Anliegen konnten sie den anderen Nationen nicht überzeugend erklären. Es bleibt als Stichwort die Vertreibung der Sudetendeutschen und Ungarn aus der Tschechoslowakei nach 1945 durch die sogenannten Benes-Dekrete.

Dass diese Vergangenheit jetzt erneut auf die Tagesordnung der EU kommt, macht eine neue, weniger einseitige Diskussion dieser Fragen umso notwendiger. Nur einfacher macht es sie nicht.

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dpa/AFP/cag/gba
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