Süddeutsche Zeitung

Tschechien:Solidarisch mit Abstrichen

Der Prager Premierminister Andrej Babiš versucht mit einer Charme-Offensive in Brüssel die Zweifel an seiner und an der Haltung seines Landes zu Europa zu zerstreuen. Dabei spielt auch der wiedergewählte Staatspräsident eine Rolle.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Als Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš in dieser Woche zu Besuch bei Jean-Claude Juncker war, kam er nicht mit leeren Händen. Dem Präsidenten der EU-Kommission überreichte er ein interessantes Buch - über sich selbst. Die Biografie soll Juncker aufklären über den Mann, der es erst zum Milliardär gebracht hat und dann zum Ministerpräsidenten, wenn auch bislang ohne Mehrheit im Parlament in Prag. Seine Botschaft war, dass er kein tschechischer Donald Trump sei, kein Populist - und schon gar kein Anti-Europäer. Die Tschechen, versicherte er Juncker, wollten ein "starkes Europa".

Babiš' Besuch war Teil einer Charme-Offensive, um nach der Wiederwahl von Präsident Miloš Zeman Sorgen in Brüssel zu zerstreuen. Zeman gewann mit einer letztlich gegen die EU gerichteten Kampagne gegen Migranten, und er liebäugelt mit einer Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft. In den vergangenen Jahren suchte er die Nähe zu Russland und China. Von der Verfassung normalerweise mit begrenzten Vollmachten ausgestattet, spielt er derzeit eine zentrale Rolle angesichts unklarer Mehrheitsverhältnisse.

"Die Außenpolitik der Tschechischen Republik wird hauptsächlich von der Regierung bestimmt. Deren Haltung ist klar pro-europäisch", sagte der tschechische Parlamentspräsident Radek Vondráček, in dieser Woche ebenfalls auf Beruhigungsbesuch in Brüssel, der Süddeutschen Zeitung. Vondráček gehört zu Babiš' Aktion unzufriedener Bürger (ANO), der Siegerin der vergangenen Parlamentswahlen. Die Bewegung des Milliardärs steht unter Populismusverdacht. Zu Unrecht, wie Vondráček versichert. Die Absicht aller seiner Gespräche sei es gewesen, "unsere pro-europäische Haltung klarzumachen".

Die Tschechen wollen nicht gesehen werden als Teil einer vom Polen Jarosław Kaczyński und dem Ungarn Viktor Orbán angeführten Front. Aber in der Flüchtlingspolitik bleiben sie hart. "Wir wollen solidarisch sein und sind solidarisch. Aber die Methode der Umverteilungsquoten funktioniert nicht. Sie ist nicht effektiv", betont Vondráček und präsentiert Maßnahmen, mit denen Tschechien in der Flüchtlingskrise finanziell und logistisch geholfen habe. Der Prager Widerstand gegen Quoten ist nicht neu. Die sozialdemokratische Vorgängerregierung lehnte sie ebenso ab wie Zemans unterlegener Gegenkandidat Jiří Drahoš. Größere Sorgen bereitet in Brüssel deshalb die Aussicht auf eine Machtbeteiligung von Rechtsradikalen und Kommunisten. Wegen einer Affäre um angeblichen Subventionsbetrug mit EU-Geld findet Babiš bisher keine demokratischen Koalitionspartner. Womöglich bereit stehen die Kommunisten, die raus wollen aus der Nato, und die rechtsradikale Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD). Diese fordert ein EU-Referendum nach britischem Vorbild. Beides komme nicht infrage, sagt Vondráček. Den demokratischen Parteien aber wirft er vor: "Sie treiben uns zu einer Zusammenarbeit mit den Kommunisten und der SPD." Dafür gebe es auch in Brüssel kein Verständnis.

Laut Eurobarometer sehen nur 30 Prozent der Tschechen die EU positiv. "Es ist Sache der Politiker, die Vorteile der EU zu erklären. Das ist zu wenig gemacht worden", sagt Vondráček. Schon für Großbritannien sei der Austritt schädlich. Er fragt: "Was würde er erst für ein Land wie Tschechien bedeuten, mitten in Europa, mitten in Schengen?"

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SZ vom 03.02.2018
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