Tschechien:"Gehen Sie. Bitte!"

Tschechiens Ex-Premier Andrej Babiš

Da ist er wieder: Unternehmer, Millionär und Ex-Premier Andrej Babiš möchte nun tschechischer Präsident werden.

(Foto: Ondrej Hajek/IMAGO/CTK Photo)

Die tschechischen Wähler haben eine neue Methode gefunden, den Präsidentschaftskandidaten Nachrichten zu übermitteln. Sie spenden mitunter kleinste Beträge und notieren einen Verwendungszweck. Alles öffentlich einsehbar.

Von Viktoria Großmann

Das Feld "Verwendungszweck" auf Überweisungsformularen wird meist mit endlosen Rechnungsnummern befüllt oder achtlos leer gelassen. Das tschechische Wahlvolk hat die 140 Zeichen nun als Platz für politische Botschaften entdeckt. Halb so viel wie ein Tweet, aber für ein "Ich bin Ihr Fan!" reicht's. Auch das Feld "Referenz", noch mal 35 Zeichen, lässt sich nutzen, etwa für die Zahl 17111989 als Erinnerung an die Samtene Revolution.

Mitte Januar wird in Tschechien ein neues Staatsoberhaupt gewählt, erstmals könnte es eine Präsidentin werden. Zu den Regularien für die Kandidaten gehört ein transparentes Wahlkampfkonto. Einnahmen, Ausgaben, von wem, wofür und die Gesamthöhe des Budgets sind für jeden frei einsehbar.

Zu seiner Spende von umgerechnet 200 000 Euro an die Ökonomin und zuletzt Rektorin der Mendel-Universität Brünn, Danuše Nerudová, schrieb ein Unternehmer auf den Überweisungsschein: "Gestern habe ich einen Sohn bekommen. Er verdient ein Heimatland mit einer Zukunft, in der der Präsident ein Demokrat ist." Ein anderer spendet 100 Kronen, circa vier Euro, und schreibt: "Ich drücke die Daumen!"

Die Kontoauszüge zeigen, worum es bei dieser Wahl geht: um eine neue Generation

Die 43-Jährige, Wahlkampfspruch "Hoffnung auf bessere Zeiten", wird sich voraussichtlich ein enges Rennen liefern mit dem früheren Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses, Petr Pavel, sowie Andrej Babiš, bis vor einem Jahr Ministerpräsident. Besonders bei ihm gehen derzeit viele Spenden ein. Allerdings oft nicht höher als einen Heller. "Für einen Sprachkurs", schreibt einer dazu. Der Ex-Premier vermengt seine Muttersprache Slowakisch öfter mit dem Tschechischen zu einem eigentümlichen Mix.

"Für den wirtschaftlich unabhängigen Kandidaten", lautet eine andere Botschaft. Der fünftreichste Mann Tschechiens hat seine Millionen unter anderem mit Düngemittel und Toastbrot verdient. Die EU sah ihn als Unternehmer und Premier in einem Interessenkonflikt. Derzeit läuft ein Prozess gegen den 68-Jährigen, weil er EU-Subventionen erschlichen haben soll. "Für den Anwalt", steht also im Verwendungszweck einiger Heller-Spenden. Oder: "Für eine Jogginghose. Im Bau wird's kalt." Ein bitterer Kommentar lautet: "Für Tausende Corona-Tote." Einige Spender reimen, andere pöbeln nur. "Gehen Sie. BITTE", lautet ein Aufruf. Poetischer: "Für die Heimfahrt in das Land, in dem es die besten Halušky gibt." Eine Art slowakische Spätzle.

Auch General a. D. Petr Pavel, 61 Jahre, Slogan "Geben wir Tschechien Ordnung und Ruhe zurück", erhält hin und wieder solche absichtsvollen Zuwendungen. Oft mit Bezug auf seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei vor 1989. Und so zeigt ein Blick in die Kontoauszüge, worum es vielen bei dieser Wahl geht: um eine neue Generation. Babiš wird vorgeworfen, Stasi-Mitarbeiter gewesen zu sein. Nerudová war zur Wendezeit ein Kind. Ihre Anhänger hoffen, mit ihr die alten Zeiten hinter sich zu lassen.

Die Umfragen mögen Pavel und Babiš knapp vorn sehen. Geht es nach den Kontoauszügen, hat Nerudová die besten Chancen. Sie erhält die freundlichsten Wünsche und das meiste Geld. Ihre Konkurrenten hingegen sind einigen Wählern nur einen lumpigen Heller wert.

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