Süddeutsche Zeitung

Tschechien:Kleine Summe, großer Konflikt

Brüssel verweigert Prag eine Subventionszahlung in Höhe von 31 000 Euro. Dagegen will die Regierung klagen - aus Prinzip. Denn bald könnte es um Millionen Euro gehen.

Von Viktoria Großmann

Es geht um umgerechnet 30 606,96 Euro. Subventionen in dieser Höhe soll die EU Tschechien zu Unrecht vorenthalten haben - so sieht es jedenfalls die Regierung in Prag. Nun möchte das Land beim europäischen Gerichtshof dagegen klagen. Das hat die Regierung in ihrer Sitzung am Montag beschlossen. Prag und Brüssel streiten über Geld aus dem Fonds für ländliche Entwicklung, die der Holding Agrofert zugute gekommen wären.

Premier Andrej Babiš hat das Unternehmen gegründet, seine Anteile aber in einen Treuhandfonds ausgelagert. Die EU-Kommission ist allerdings in mehreren Berichten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Premier auf diesen Treuhandfonds entscheidenden Einfluss ausübt. Damit profitiere er auch finanziell von Agrofert. Den Interessenkonflikt kann er laut EU nur lösen, indem er sein Amt aufgibt oder sich völlig aus der Holding zurückzieht. Eine Antwort Prags auf diesen Bericht steht noch aus. Für Tschechien kann dieser Interessenkonflikt sehr teuer werden. Bleibt die EU bei ihrer Ansicht, droht Agrofert eine Rückzahlung von mindestens elf Millionen Euro - allein aus dem Kohäsionsfonds. An einem Bericht über die landwirtschaftlichen EU-Subventionen arbeitet Brüssel noch.

Während die EU den möglichen Interessenkonflikt untersuchte, hielt sie einige Fördermittel vorübergehend zurück. Und zahlte sie später nach - bis auf jene knapp 31 000 Euro, an denen sich der Streit jetzt entzündet. Der tschechische Landwirtschaftsminister Miroslav Toman hatte den Vorschlag zur Klage ins Kabinett gebracht. Er hat selbst Schwierigkeiten, den Vorwurf eines Interessenkonflikts zu widerlegen: Ein großer Empfänger von EU-Subventionen für die Landwirtschaft ist auch die Firma seines Vaters und seines Bruders.

Der Verband der privaten Landwirte und Antikorruptionsaktivisten wie Transparency International (TI) werfen dem Staat vor, gezielt Großunternehmer zu unterstützen und Familienbetriebe zu benachteiligen. Mit der Entscheidung zur Klage verschärft die tschechische Regierung ihren Ton gegenüber Brüssel. Als im Februar Abgeordnete des europäischen Parlaments Prag besuchten, hatte Babiš sie nicht empfangen, sondern beschimpft. Den Interessenkonflikt bestreitet er vehement: "Tschechien wird nichts zurückzahlen", wiederholt er stets.

Insofern geht es auch jetzt nicht nur um 31 000 Euro, die im Herbst 2018 bewilligt und dann nicht gezahlt wurden. Es geht ums Prinzip. So sagt es Landwirtschaftsminister Toman. Es müsse geklärt werden, nach welchen Regeln die EU die Subventionen auszahlt.

Die Opposition setzt Hoffnungen in die EU beim Kampf gegen die Korruption im Land. Sie befürchtet, dass sich diese im Schatten der Corona-Krise noch verstärkt. So wurde beschlossen, dass der Staat bei Einkäufen nicht mehr zwingend öffentliche Ausschreibungen machen muss. Die Piratenpartei wirft dem Justizministerium vor, "es unternehme Schritte, die zum Vorteil von Agrofert sind". Gestritten wird auch über ein Gesetz, das eigentlich die Eigentumsverhältnisse von Grundstücken und Firmen transparenter machen soll. Stattdessen, so warnt die Opposition, könnte es Babiš helfen, seine Beteiligungen zu verschleiern.

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SZ vom 27.05.2020
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