Wie in Deutschland wird auch in Tschechien in etwa einem Jahr ein neues Parlament gewählt – und auch in Tschechien gab es an diesem Wochenende einen Stimmungstest. Es wurden Kreisregierungen und ein Teil des Senats neu gewählt. Gewonnen hat klar die Opposition. Der frühere Ministerpräsident und jetzige Oppositionsführer Andrej Babiš hat mit seiner Partei Ano (Allianz unzufriedener Bürger) in zehn von 13 Kreisen die meisten Stimmen erhalten.
Babiš’ populistische Bewegung, die früher eher links ausgerichtet war, zuletzt aber stark nach rechts abdriftete, liegt in den Umfragen schon seit Langem vorn. In der Präsidentschaftswahl Anfang 2023 war Babiš zwar klar dem Kandidaten Petr Pavel unterlegen, doch der 70-jährige Milliardär will 2025 noch einmal Ministerpräsident werden. Nach dem Erfolg seiner Partei bei der Europawahl im Juni schloss sich seine Ano mit der rechtsextremen FPÖ aus Österreich und der ungarischen Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán zur Fraktion „Patrioten für Europa“ zusammen.
Die linksliberale Piratenpartei bricht ein
Die in Prag unter Premier Petr Fiala regierende Fünferkoalition kann als Wahlverlierer gelten. Sie ist auch im Senat geschwächt. Wobei Fialas eigene Partei, die konservativen Bürgerdemokraten, noch am ehesten Erfolge feiern kann. Schlechter sieht es für seine vier Koalitionspartner aus, besonders für die linksliberale Piratenpartei, die fast alle Sitze in den Regionalparlamenten verlor. Ihr langjähriger Parteivorsitzender Ivan Bartoš trat am Wochenende zurück.
Fialas Regierung hatte die Wahl, die am Freitag und Samstag stattfand, unbedingt ermöglichen wollen – obwohl absehbar war, dass in den Überschwemmungsgebieten im schlesischen und mährischen Teil des Landes nicht einmal die üblichen Wahllokale zur Verfügung stehen würden. Auch Schulen und Kindergärten standen unter Wasser, es fehlen Brücken, Straßen sind beschädigt. Besonders in der Region um Ostrava sind noch immer Tausende Haushalte ohne Strom und Hunderte ohne Gas.
Zudem hatten viele Menschen genug mit dem Aufräumen zu tun. Das zeigt die Wahlbeteiligung von durchschnittlich nur knapp 33 Prozent, in manchen Gemeinden gingen sogar noch weniger Bürgerinnen und Bürger zur Wahl. Die Feuerwehr hatte teils in Containern Wahllokale eingerichtet.
Genützt hat das Festhalten am Wahltermin der Regierung nicht. Wer sich trotz existenzieller Sorgen in den Hochwassergebieten ins Wahllokal begab, kringelte die Namen der Oppositionskandidaten ein. Neben der populistischen Ano gewann auch die neu gegründete, kommunistisch orientierte Partei „Stačilo!“ (Es reicht) einige Mandate. Einer ihrer Vertreter hatte, als das verheerende Unwetter auf Tschechien zukam, noch in den Netzwerken gepostet, die Regierung verbreite nur Panik, er sehe keinen Grund, Veranstaltungen abzusagen. Seine Partei distanzierte sich zwar von dieser Falschinformation, nicht aber von ihrem Kandidaten.
Etwas Hoffnung gibt den Regierungsparteien die geringe Wahlbeteiligung – das Ergebnis kann nicht als ganz repräsentativ gelten. Zumal in der Hauptstadt Prag, wo etwa die Piraten viele Anhänger haben, keine Kreiswahl stattfand. Außerdem fällt es der Partei Ano traditionell schwer, Koalitionspartner zu finden. Sie kann nur darauf bauen, dass es in einem Jahr weitere Parteien ins Parlament schaffen, die sich eine Zusammenarbeit mit den Populisten vorstellen können.