Gaststätten und Bars sind in Tschechien derzeit eigentlich geschlossen. Eine von vielen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Gesundheitsminister Roman Prymula ging trotzdem in ein Restaurant, Fotos zeigen, wie er es um Mitternacht ohne Mund-Nasen-Bedeckung verlässt - diese ist auch im Freien Pflicht. Nun muss er seinen Posten aufgeben, an diesem Dienstag soll ein neuer Gesundheitsminister ernannt werden.
Es ist der zweite Austausch des Gesundheitsministers innerhalb von zwei Monaten. Währenddessen meldet Tschechien täglich neue Infektionsrekorde, am Freitag wurden in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land mehr als 15 000 Neuinfektionen gezählt - mehr als doppelt so viele wie in Deutschland. An manchen Tagen ist jeder dritte Test positiv. Auch die Sterblichkeitsrate ist höher als in den Nachbarländern. In Prag und Brünn werden auf dem Messegelände Not-Krankenhäuser eingerichtet; unter den Infizierten sind auch 13000 Krankenschwestern und Pfleger. Ärzte, die im Ausland arbeiten, wurden aufgerufen, in die Heimat zurückzukehren. Immerhin 25 wollen offenbar dem Aufruf folgen.
Mit Minister Roman Prymula sollte im September eigentlich alles besser werden. Er hatte als oberster Epidemiologe das Land bereits durch das Frühjahr gebracht, als es kaum Fälle gab. Von Prymula erhoffte sich auch die Opposition eine klarere Kommunikation. Prymulas Vorgänger schien sich gegen den Premier nicht durchsetzen zu können - denn es war vor allem Regierungschef Andrej Babiš selbst, der zur Verwirrung in der Öffentlichkeit beigetragen und die Gefahr kleingeredet hatte. Als dann die Zahlen stiegen, versuchte er sein Ansehen mit einem Austausch des Gesundheitsministers aufzubessern. Prymula hatte dann Anfang Oktober die neuen, sehr strengen Regeln verkündet, Schulen wieder geschlossen, Veranstaltungen untersagt. Es gilt erneut, wie im Frühjahr, der Notstand. Und von Mittwoch an gilt nun auch eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr, zunächst für eine Woche.
Doch mit der Wahl Prymulas stürzte Babiš seine Partei Ano und die Regierung offenbar nur in eine noch größere Krise. Einmal mehr gerät die Partei in den Verdacht, Vetternwirtschaft zu betreiben. Die Medien spekulieren über den Grund des nächtlichen Treffens, an dem unter anderem der Ano-Abgeordnete Jaroslav Faltýnek beteiligt war. Er hat wegen der Restaurant-Fotos bereits seinen Posten als stellvertretender Parteivorsitzender aufgegeben.
Prymula ist kein Mitglied der Regierungspartei Ano, steht ihr aber nahe. Gegen den Unternehmer Faltýnek wurden schon in mehreren Fällen Vorwürfe wegen Korruption erhoben. Prymula, so warnt die oppositionelle Piratenpartei bereits seit dem Frühjahr, stecke in einem Interessenkonflikt - seiner Tochter gehört ein Unternehmen für Medizinbedarf. Wegen Geschäften mit dieser Firma wurde der studierte Militärarzt 2016 als Direktor der Uni-Klinik Hradec Králové entlassen.
Ging es also bei dem Treffen wirklich darum, wie die Politiker behaupten, ein Pilotprojekt für flächendeckende Antigen-Tests in der Bevölkerung vorzubereiten? Und warum kann das nicht im Ministerium besprochen werden? Oder sollte, wie einige Medien schreiben, heimlich über die Neubesetzung des Chefpostens der staatlichen und größten tschechischen Krankenkasse entschieden werden? Ein Amt, dessen Inhaber über einen Milliarden-Haushalt verfügt?
Faltýnek, der weiterhin Klubobmann der Regierungspartei im Parlament bleibt, gilt als einer der engsten Vertrauten von Premier Babiš. Just an dem Tag, an dem im September Prymula als Gesundheitsminister antrat, begann in Brünn der Prozess in einer Korruptionsaffäre gegen ein ehemaliges Ano-Mitglied. Auch Faltýnek soll darin verwickelt sein. Gegen ihn wurde auch im Fall des Subventionsbetruges "Storchennest" ermittelt - ein Fall, der dem Premier bis heute anhängt.
Die Oppositionsparteien rufen nun dringend auf, die politischen Machtspiele zu beenden und sich auf die Krise zu konzentrieren. Prymula, der einen Rücktritt zunächst ablehnte, muss wahrscheinlich 800 Euro Geldstrafe wegen des Verstoßes gegen die Ausgangsregeln zahlen. Das kündigte der Prager Bürgermeister Zdeněk Hřib von der Piratenpartei an. Auch er aber wirft Premier und Parteichef Andrej Babiš Versagen in der Krise vor. Dieser hatte sich noch kürzlich der Quarantäne verweigert, obwohl er Kontakt zu einem Infizierten gehabt hatte. Erst vor wenigen Wochen hatte die Opposition Babiš aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen. Nun hat sie einen weiteren Grund.