Süddeutsche Zeitung

Trumps Popularität in Israel:Sie lieben ihn, doch sie können ihn nicht wählen

Viele Israelis sind US-Präsident Trump dankbar, die amerikanischen Juden hingegen stehen fest hinter dessen Konkurrenten Joe Biden. Die Kluft zwischen Jerusalem und der stärksten Diaspora - den USA - wird tiefer.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Im Sommer vorigen Jahres hat Donald Trump eine sehr hypothetische und sehr großmäulige Wahlprognose abgegeben: Wenn er in Israel antreten würde, so erklärte der US-Präsident, dann würde er 98 Prozent der Stimmen bekommen. Das ist natürlich typisch übertrieben, doch tatsächlich ist Trump wohl kaum irgendwo auf dem Globus so populär wie im jüdischen Staat. Satte Mehrheiten wären ihm dort sicher.

Das Problem ist nur, dass die Israelis Trump nicht wählen dürfen - und dass die amerikanischen Juden mindestens so fest hinter seinem Konkurrenten Joe Biden von den Demokraten stehen wie die Israelis hinter dem amtierenden Präsidenten. Die einschlägigen Umfragen in Israel und den USA weisen fast spiegelverkehrte Werte auf. Und das könnte weit über die aktuelle US-Wahl hinaus zum Problem werden zwischen Israel und der jüdischen Diaspora in den USA.

Die mehr als sechs Millionen in den USA lebenden Juden sind traditionell mehrheitlich den Demokraten zugeneigt. Das bestätigt auch eine aktuelle, vom American Jewish Committee in Auftrag gegebene Umfrage zur Präsidentenwahl am 3. November: 75 Prozent der amerikanischen Juden wollen demnach für Biden stimmen, nur 22 Prozent für Trump. Das liegt in etwa auf der Linie jenes Werts, den Wahlnachfragen 2016 für Hillary Clinton angezeigt hatten.

In Israel dagegen, wo Clinton 2016 einer Umfrage des Armee-Radios zufolge beliebter war als Trump, wünschen sich nun lediglich 21 Prozent der Befragten einen Sieg Bidens. 50 Prozent favorisieren Trump. Rechnet man aus dieser Umfrage des Mitvim-Instituts all jene heraus, die keine Angaben machten, ergibt sich ein Verhältnis von 70 zu 30 für Trump.

Kein Wunder, dass Trump vielen Israelis als Wohltäter gilt

Trumps jetzige Beliebtheit in Israel lässt sich leicht erklären: Schließlich ist er der Präsident, der die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt hat. Er hat zudem Israels Souveränität über die 1967 eroberten Golanhöhen anerkannt und außerdem noch einen sogenannten Friedensplan vorgelegt, der im Konflikt mit den Palästinensern sehr einseitig Israels Interessen folgt. Schließlich hat er noch Normalisierungsabkommen zwischen Israel und drei arabischen Staaten - den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und dem Sudan - vermittelt. Und obendrein hat er, nicht zuletzt auf Drängen des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, das Atomabkommen mit Iran aufgekündigt.

Wenig Wunder also, dass Trump vielen Israelis als Wohltäter und bester US-Präsident seit Menschengedenken erscheint. Von Biden dagegen erwartet man eine Fortsetzung der Politik Barack Obamas, dem er als Vizepräsident zur Seite gestanden hatte - und damit wenig Gutes. Außer Acht bleibt dabei, dass Biden sich Zeit seines Politikerlebens als Freund Israels bewiesen hatte. Aus dem Jahr 2012 ist ein Zitat überliefert, in dem er bekennt, er würde Netanjahu "lieben", auch wenn er mit "keiner verdammten Sache" übereinstimme, die dieser sage. Als Netanjahu kürzlich jedoch in Washington weilte zur großen Unterzeichnungsshow der Abkommen mit den VAE und Bahrain, gab es keinerlei Kontaktversuch mit Biden.

All das, was Trump für Israel beziehungsweise für seine eigene evangelikale Wählerklientel sowie als Freundschaftsdienst für seinen Verbündeten Netanjahu getan hat, bleibt jedoch offensichtlich ohne Auswirkung auf das Wahlverhalten der amerikanischen Juden. Trump selbst nimmt das erwartungsgemäß persönlich. Im vorigen Jahr bezeichnete er jüdische Wähler, die für die Demokraten stimmen, als "illoyal". Dabei haben die jüdischen US-Wähler schlicht andere Prioritäten: In ihrer Liste zur Wahl rangieren die israelisch-amerikanischen Beziehungen hinter heimischen Fragen wie der Bewältigung der Corona-Pandemie, der Wirtschafts- oder Gesundheitspolitik.

Israels wendiger Premier Netanjahu

Doch unter dem Strich belegen die gegensätzlichen Zahlen aus den USA und Israel tatsächlich, dass Israel und die stärkste Diaspora-Gruppe in den vergangenen Jahren weiter auseinandergedriftet sind. Israel ist unter Netanjahu nach rechts gerückt, während die große Mehrheit der amerikanischen Juden stabil auf liberalem Kurs bleibt. Angesichts der Kluft, die da sichtbar wird, wachsen in Israel die Zweifel an der Unterstützung durch die amerikanische Diaspora. Und auf der anderen Seite entfremden sich die amerikanischen Juden von einem Israel unter Netanjahu, der sich stets fest an Trumps Seite stellt.

Auch die nächsten vier Jahre würde Netanjahu gewiss gern Trump im Weißen Haus sehen. Doch den Beweis dafür, dass er auch Realist und wendig genug ist, um sich auf Bidens Vorsprung in den Umfragen einzustellen, lieferte er just am vorigen Freitag. Da verkündete Trump die Normalisierung der Beziehungen mit dem Sudan, und mit einem bösen Seitenhieb auf Biden fragte er plötzlich Netanjahu: "Glaubst, du, dass Sleepy Joe einen solchen Deal hinbekommen hätte, Bibi?" Ohne direkt auf die Frage einzugehen antwortete der israelische Premier: "Herr Präsident, ich kann Ihnen versichern, dass in Israel Hilfe auf dem Weg zum Frieden von jedem in den USA willkommen ist."

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