US-Politik:Trump, gefangen in der Filterblase

Trump Figur

Große Hände halten eine Donald-Trump-Figur.

(Foto: AFP)

Wenn ein prinzipienloser US-Präsident sich mit Ja-Sagern umgibt, sind politische Totalschäden wie die Comey-Kontroverse nur der Anfang.

Von Johannes Kuhn

Nein, Isolation ist nicht Donald Trumps Problem: Fast rund um die Uhr umgibt sich der 45. US-Präsident im Weißen Haus mit Vertrauten, Beratern und Besuchern, ob im Oval Office oder in den Privatgemächern. Selbst zu spätester Stunde sei sein Sicherheitschef Keith Schiller noch anwesend, um ihm Gesellschaft zu leisten, wie das Magazin Time dieser Tage berichtet. Und wenn niemand zur Hand ist, ruft der 70-Jährige einfach alte Freunde und Geschäftspartner an.

Das alles kann in der Theorie zu lebhaften Debatten und klugen Entscheidungen führen. Die kontroverse Entlassung von FBI-Chef James Comey allerdings liefert ein weiteres Indiz dafür, dass die Entourage des US-Präsidenten vor allem dazu beiträgt, dass sich Trump immer stärker von den politischen Realitäten abkapseln kann.

Offenbar kam der US-Präsident (mehr oder weniger) selbst auf die Idee, den Chef-Ermittler zu feuern. Statt Rat von erfahrenen Regierungsmitarbeitern oder vertrauenswürdigen Kongress-Mitgliedern zu holen, besprach er die Angelegenheit nur im engsten Kreis. Von dort, so heißt es in Medienberichten, sei kein Widerstand gekommen: Stabschef Reince Priebus und Chefberater Stephen Bannon hätten einzig Zweifel am Zeitpunkt gehabt, aber Trump nicht im Grundsatz widersprochen. Man sei sich einig gewesen, dass die Demokraten angesichts ihrer Abneigung gegen Comey die Entscheidung gutheißen würden.

Eine erstaunliche Fehleinschätzung: Nicht nur die Demokraten übten scharfe Kritik, selbst Teile der Republikaner im Kongress sind verwundert. Statt die mediale Debatte über den russischen Einfluss auf das Trump-Umfeld zu entschärfen, wird sie intensiver - eine Entwicklung, die das Trump-Lager offenbar überraschte und die durch improvisierte Öffentlichkeitsarbeit verstärkt wurde. Dabei widersprachen sich Trump, Vizepräsident Pence und Sprecherin Sarah Sanders ständig. "Es war ein absolutes Desaster", bilanzierte ein Mitarbeiter des Weißen Hauses in der Washington Post fassungslos.

Die Abschottung, ein Präsidenten-Problem

Die präsidiale Filterblase ist kein neues Phänomen, sie ist Teil des Amtes. George W. Bush ließ sich von seinem kriegsbereiten Umfeld von der Irak-Invasion überzeugen und erhielt in seiner ersten Amtszeit oft geschönte Informationen über die Lage vor Ort. Richard Nixon wiederum hörte nur auf Umfragen und enge Berater - alles andere verbot ihm seine Paranoia.

In Teilen von Außenministerium und Pentagon gilt selbst Trumps Vorgänger Barack Obama als außenpolitischer Filterblasen-Präsident. Demnach legten er und sein Sicherheitszirkel in Strategiefragen rund um Brennpunkte wie Irak, Libyen oder Syrien wenig Wert auf die Einschätzungen der Fachministerien.

Bei Trump verkompliziert die Kombination von Führungsstil, Charakter und Medienkonsum die Angelegenheit. Auch hier bietet der Comey-Rausschmiss eine Lehrstunde: Der US-Präsident soll laut New York Times bei einem Abendessen den FBI-Chef gedrängt haben, ihm seiner Loyalität zu versichern. Comey habe ihm Ehrlichkeit zugesichert, nicht aber "Verlässlichkeit" im politischen Sinn. Offenbar zu wenig für den US-Präsidenten. Der soll getobt haben, als Comey vor einem Senatsausschuss erklärt hatte, ihm sei "leicht schlecht" bei dem Gedanken, dass er die Wahl entschieden habe - also Trump in dessen Augen einen Teil der Verantwortung für den Wahlsieg aberkannte. Der Präsident habe seinen Fernseher angebrüllt, verrieten Mitarbeiter.

Vorteile für Ja-Sager

Schon als Firmenpatriarch war Trump für erstaunliche Eitelkeit bekannt - und dafür, dass ihm nichts wichtiger ist als absolute Loyalität. Er betrachtet nun den Staatsapparat als Versammlung von Angestellten und hat weder tieferes Verständnis für Gewaltenteilung, noch für die Relevanz institutioneller Prozesse.

Wenn Illoyalität so weit gefasst wird, erweckt dies nicht nur den Anschein eines autoritär angehauchten Staatsverständnisses. Auch das Trump-Umfeld kann daraus seinen Schluss ziehen, den bereits seine früheren Mitarbeiter einst zogen: Allzu großer Widerspruch kann karrieregefährdend sein, Ja-Sager haben Vorteile.

Derzeit erlebt dies, so wird es zumindest an die Medien gesteckt, Trumps Sicherheitsberater H.R. McMaster. Berichten in Bloomberg und Foreign Policy zufolge eckte der beim US-Präsidenten an: Unter anderem, weil er den Begriff "radikaler islamischer Terrorismus" aus den Reden streichen wollte und in Konferenzen Trump sogar "belehrt" habe. Trump versicherte daraufhin öffentlich, mit McMaster zufrieden zu sein. In Washington ist von einer weiteren Intrige des Bannon-Lagers die Rede, doch im (O-Ton aus dem Umfeld) "Game of Thrones für Idioten" weiß niemand, was Worte noch zählen und wer gerade wen gegeneinander ausspielt.

Loyalität und Markenbewusstsein

Immerhin wird immer deutlicher, dass Trump als US-Präsident klare Ziele hat: Als präsidiale Marke gut dazustehen. Weil ihm dabei keine politische Prinzipien im Weg stehen und er auch kein Interesse an tieferen Zusammenhängen und Folgen politischer Entscheidungen hat, ähnelt seine Präsidentschaft weiterhin einer improvisierten Reality-TV-Show: Alles ist erlaubt, solange die Quoten stimmen (Beliebtheit unter seinen Anhängern). Dass diese Werte nun sinken, verschlechtert Trumps Laune weiter.

Einflussreiche Kongressmitglieder, berichtet der Economist-Korrespondent, würden sich deshalb vor allem einen Gatekeeper wünschen, der Trump vor "Menschen schützt, die ihm Blödsinn in den Kopf setzen". Diese Menschen dürften in seinem direkten Umfeld zu finden sein - und es ist kein Wunder, dass sie sich im Kampf um das Ohr des Präsidenten zeitweilig benehmen wie ein Haufen überdrehter Irrer auf einer House-of-Cards-Mottoparty.

Die ständige Grenzüberschreitung, der Verlust präsidialer Normen und die Entscheidungen im Eigeninteresse - von der Entlassung des FBI-Chefs bis hin zu geplanten Steuergeschenken für seine eigene Kaste der Superreichen - erscheinen wie ein direktes Resultat dieses von Ja-Sagern betriebenen Loyalitätsregimes. Die jüngsten Äußerungen des US-Präsidenten zu möglichen Tonband-Aufnahmen des Treffens mit Comey würden stilistisch sogar in einen Mafia-Film passen.

Trumps Rest-Realität

Die gegenwärtige Medienlandschaft erlaubt es dem US-Präsidenten, sich völlig im Recht zu fühlen (gleiches gilt für seine Gegner): Anhänger wie der Moderator Sean Hannity und andere konservative Figuren auf seinem Haussender Fox News normalisieren und loben den US-Präsidenten ebenso inhaltsunabhängig wie in der Regel auch die Online-Gazetten des Breitbart-Universums. Die präsidialen Tweets zeugen davon, dass gerade die Morgensendung "Fox and Friends" fester Bestandteil der Filterblase ist und dem US-Präsidenten die Stichworte liefern.

Bislang sieht sich Trump noch von Medien wie CNN oder der New York Times, aber auch durch die Demokraten im Kongress mit einer anderen Sicht der Dinge konfrontiert. Wie lange noch, ist eine andere Frage. "Mir ist es gelungen, etwas zu tun, was ich niemals zu schaffen geglaubt hätte", erzählte Trump diese Woche den Time-Reportern stolz. "Ich habe es geschafft, keine Sachen zu lesen oder anzugucken, die für mich unerquicklich sind."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: