Trumps Sicherheitsberater McMaster:Der intellektuelle Krieger muss abtreten

H.R. McMaster

Er wurde von US-Präsident Donald Trump als Nationaler Sicherheitsberater entlassen: H. R. McMaster (Archivild aus dem Juni 2017).

(Foto: picture alliance/AP Photo)
  • Die Entlassung des Nationalen Sicherheitsberaters McMasters kommt nicht überraschend, trotzdem sind viele schockiert von Trumps Entscheidung.
  • Dem 55-jährigen Offizier ist es in den vergangenen 13 Monaten nicht gelungen, den US-Präsidenten von einem rationaleren Kurs zu überzeugen.
  • McMaster plant nach 34 Jahren "im Dienste der Nation" in den Ruhestand zu gehen.

Von Matthias Kolb

Die erste Begegnung zwischen Donald Trump und Herbert Raymond McMaster soll nicht gut gelaufen sein, "Der Kerl langweilt mich zu Tode", sagte der US-Präsident angeblich, nachdem der Drei-Sterne-General das Besprechungszimmer in Trumps Privatclub Mar-A-Lago verlassen hatte. Im Februar 2017 traf sich Trump mit mehreren Bewerbern, um einen neuen Nationalen Sicherheitsberater zu finden. Jared Kushner konnte seinen Schwiegervater zu einem weiterem Treffen überreden - anstelle der Uniform trug McMaster nun einen ausgebeulten Anzug und kam besser an.

Nach einem spöttischen "Er sieht aus wie ein Bierverkäufer"-Kommentar entschied sich Trump, McMaster den Job zu geben. So beschreibt zumindest der umstrittene Autor Michael Wolff diese Episode in seinem Buch "Feuer und Zorn". Ob die Sätze wirklich so gefallen sind, ist unbekannt. Es steht aber fest: Der glatzköpfige McMaster, der überall "H. R." genannt wird, hat es nie geschafft, ein gutes Verhältnis zu seinem Chef aufzubauen oder ihn von einem rationaleren Kurs zu überzeugen. Seit Wochen stichelt Trump gegen ihn auch öffentlich, auf Twitter etwa. Am Donnerstagabend hat ihn Trump entlassen. Als Nachfolger hat er den früheren UN-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John R. Bolton, benannt. Die Amtsübergabe soll am 9. April erfolgen.

Auch wenn McMasters Rauswurf seit Wochen erwartet worden war, schockiert er viele. Die Hoffnungen in den 55-Jährigen waren enorm. Als dessen Ernennung zum Sicherheitsberater am 20. Februar 2017 offiziell wurde, machte sich unter Washingtons politischer Elite und der großen Mehrheit der sicherheitspolitischen Experten Erleichterung breit.

Er folgte auf den Islamkritiker und zu Verschwörungstheorien neigenden Michael Flynn. Der musste gehen, weil er vor Trumps Vereidigung verbotenerweise mit Russlands Botschafter Sergej Kisljak kommuniziert und darüber das FBI belogen hatte. Mit McMaster war jetzt ein Mann im Amt, den das Time Magazine 2014 zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gekürt und als "warrior thinker" bezeichnet hatte. Dem intellektuellen Krieger wurde zugetraut, dem Polit-Neuling die Komplexität der globalen Sicherheitsarchitektur zu erklären - und Trump die Folgen seiner Entscheidungen deutlich zu machen.

Mit Verteidigungsminister Jim Mattis und John F. Kelly (damals Heimatschutzminister und heute Stabschef) gehörte McMaster zu "Trumps Generälen", denen der Präsident und Absolvent einer Militärschule anfangs viel Respekt entgegenbrachte. Und deren Urteil er zu vertrauen schien. Doch je länger Trump im Weißen Haus sitzt, umso klarer wird: Er ist nicht offen für neue Argumente.

Wo McMaster anders dachte als Trump

Zu den häufigsten Kritikpunkten, die Trumps Vertraute seit Wochen streuen, gehören unter anderem die Länge sowie die Art, in der McMaster den Präsidenten über die Sicherheitslage unterrichtet. So sei Trump irritiert gewesen, dass McMaster ihm Vor- und Nachteile von Entscheidungen beschrieben habe. Der Präsident bevorzuge eine einzige Option, über die er dann mit "Ja" oder "Nein" entscheiden könne.

Angesichts der Biografien der beiden verwundert diese unterschiedliche Herangehensweise nicht. Trump liest ungern, er bevorzugt Grafiken oder Kabel-Fernsehen. McMaster hat in der Army Karriere gemacht, an der US-Heeresakademie West Point studiert und anschließend in Geschichte promoviert. Seine Dissertation "Dereliction of Duty" über den Vietnamkrieg wurde landesweit debattiert: Er argumentierte, dass die damaligen Generäle gewusst hätten, dass der Krieg in Südostasien nicht zu gewinnen sei. Trotzdem hätten die Top-Militärs den Politikern nicht die Wahrheit gesagt.

Der Ruf, den Mächtigen auch unangenehme Wahrheiten zu sagen ("to speak truth to power", nennen es die Amerikaner), eilte McMaster also voraus. Wie oft er Trump wirklich widersprach oder auf dessen Wissenslücken hinwies, ist bisher unbekannt.

Die Meinungsunterschiede traten spätestens auf der Münchner Sicherheitskonferenz offen zutage. Dort missachtete McMaster die Vorgaben des Weißen Hauses und sagte auf die Frage eines russischen Teilnehmers, dass die Belege einer Einmischung Moskaus in die US-Wahl 2016 "jetzt unbestreitbar" seien. Damit übernahm der Sicherheitsberater die Position aus der kurz zuvor veröffentlichten Anklage von Sonderermittler Robert Mueller, dem Trump eine "Hexenjagd" vorwirft. Die wegen "bösartigen Cyberattacken" verhängten Sanktionen gegen Moskau erließ Washington erst Mitte März.

Trump führt die USA aus dem Pariser Klimaabkommen heraus. McMaster hielt das ebenso für einen Fehler wie Trumps ständiges Warnen vor einem "radikalen islamischen Terrorismus". Dies führe nur zu antiamerikanischen Gefühlen unter den Muslimen in aller Welt und erschwere den Kampf gegen Dschihadisten.

Mit den anderen Generälen überzeugte McMaster den Präsidenten im Sommer, die US-Soldaten nicht aus Afghanistan abzuziehen oder durch eine Privatarmee von Blackwater-Söldnern zu ersetzen, sondern die Zahl der Truppen zu erhöhen. Trump willigte grummelnd ein, obwohl er im Wahlkampf versprochen hatte, Amerikas Kriege zu beenden und stattdessen das eigene Land wiederaufzubauen.

Der exzellente Ruf erhält ein paar Kratzer

McMaster gehört eher zu den Traditionalisten. Der per Twitter geschasste Ex-Außenminister Rex Tillerson orientierte sich an diesem Denken. Dass McMaster ähnlich wie Tillerson und Verteidigungsminister Mattis dafür wirbt, den Nuklear-Deal mit Iran nicht aufzukündigen, hat dem US-Präsidenten sicher nicht gefallen: Er möchte diesen zerfetzen oder - wie er so gerne sagt - durch "etwas anderes" ersetzen. Mit Mike Pompeo will er einen Hardliner zum Außenminister machen und der neue Sicherheitsberater Bolton hält auch wenig vom Iran-Deal, den Trump Mitte Mai verlängern muss.

Was wird nun aus McMaster nach seiner Zeit als Sicherheitsberater? Er geht nicht, wie vorab in den Medien spekuliert wurde, zurück in den militärischen Dienst. Er lässt mitteilen, nach 34 Jahren "im Dienste der Nation" in den Ruhestand gehen zu wollen; bei der US Army habe er einen entsprechenden Antrag gestellt. Sein makelloser Ruf hat aber ein paar Kratzer abbekommen. McMaster ist nicht nur daran gescheitert, Donald Trump mehr zu beeinflussen. Sondern war in mehreren Fällen auch bereit, Trumps Kurs zu rechtfertigen - anstatt für seine eigenen Überzeugungen einzustehen.

In der New York Review of Books beschrieb der Militär-Experte Jonathan Stevenson kürzlich seine Enttäuschung über McMaster. Er verwies darauf, dass dieser zusammen mit dem zurückgetretenen Wirtschaftsberater und Ex-Wall-Street-Banker Gary Cohn mehrere Zeitungsartikel verfasst hat, die Trumps "Amerika zuerst"-Agenda intellektuell unterfüttern sollten. Im Mai 2017 schrieben sie im Wall Street Journal, dass es keine "globale Gemeinschaft" mehr gebe, sondern nur eine "Arena, in der sich Nationen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen engagieren und um Vorteile konkurrieren".

Wer nicht wie Trump internationale Politik und Handel als Nullsummenspiel begreift, kann solche Sätze schwerlich unterstützen. In Stevensons Augen sind sie das Gegenteil von "to speak truth to power". Im Juli 2017, also nach Trumps Einreiseverboten und dem Aufkündigen des TPP-Handelsabkommens, versicherten Cohn und McMaster in der New York Times, die USA würden weiter weltweit "für Gleichstellung von Mann und Frau kämpfen, Innovation feiern, Meinungs- und Religionsfreiheit beschützen sowie Freihandel unterstützen".

Es spricht einiges dafür, dass sowohl Cohn als auch McMaster überzeugt waren, dass sie aus dem innersten Machtkreis heraus diesen impulsiven Präsidenten überzeugen können, mit seiner protektionistischen Politik nicht das Fundament des amerikanischen Wohlstands und die herausgehobene globale Rolle der USA zu gefährden. Beiden ist es letzlich nur gelungen, diese Entwicklung aufzuschieben.

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