Trumps Einwanderungsdekret:Meutern oder mitmachen

McCain and Graham chat before President Donald Trump arrives to speak at a congressional Republican retreat in Philadelphia

Vorsichtige Kritik am Einwanderungserlass: die Senatoren John McCain (links) und Lindsey Graham.

(Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Washingtons Beamte und Politiker stehen vor der Wahl: Sollen sie Trumps Dekrete umsetzen - oder sich auflehnen? Der Fall von Justizministerin Yates zeigt, wie schnell Widerstand eine Karriere beenden kann.

Von Hubert Wetzel, Washington

Es ist erst kurze zwölf Tage her, da ist Barack Obama zum letzen Mal in die Präsidentenmaschine Air Force One gestiegen. Während Donald Trump in Washington seine Vereidigung feierte, ließ sich der scheidende US-Präsident mit seiner Frau nach Kalifornien fliegen. Er hat dort zunächst ein paar Tage Golf gespielt, dann ist er in die Karibik weitergereist, um weiter Urlaub zu machen.

Aber das, was sein Nachfolger daheim veranstaltet, ärgerte den Altpräsidenten dann offenbar so sehr, dass er eine Protestbotschaft schickte. Er fühle sich "ermutigt" durch den landesweiten Aufstand gegen Trumps Flüchtlingsdekret, teilte Obama am Montag mit.

Die Stellungnahme war sorgfältig kalibriert. Obama äußerte sich nicht persönlich, sondern über einen Sprecher. Und er lobte allgemein das "Engagement" der Bürger, obwohl natürlich jeder wusste, dass er damit die Proteste gegen Trump meinte. Doch der ehemalige Präsident will sich offenbar die Möglichkeit bewahren, sein Missfallen in der Zukunft noch klarer und direkter zu äußern. "Eskalationsspielraum" nennt man das beim Militär.

Unterm Strich ist die vorsichtige Zurückhaltung allerdings kaum mehr als Wortklauberei. Fest steht: Keine zwei Wochen nach dem Ende seiner Amtszeit attackiert Obama seinen Nachfolger und begrüßt die Proteste und Demonstrationen gegen diesen. Das ist schon ungewöhnlich.

Aber so scheinen die Zeiten in Washington ja derzeit zu sein. Ungewöhnlich ist auch, dass mehrere Dutzend Diplomaten in einer internen Stellungnahme - die natürlich nicht zufällig sofort ihren Weg in die Washington Post fand - das Dekret des neuen Präsidenten kritisieren. Das darin verfügte Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Staaten - Iran, Irak, Syrien, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen - sowie der Aufnahmestopp für syrische Flüchtlinge "werden ihr Ziel, unser Land sicherer zu machen, nicht erreichen", heißt es in dem Memorandum.

Die Diplomaten hatten ihr Protestschreiben über einen anonymen Kanal an das Weiße Haus geschickt, der genau für diese Fälle da ist. Regierungsmitarbeiter sollen auf diese Weise ihre Unzufriedenheit über Entscheidungen der Regierung ausdrücken können, ohne dass sie befürchten müssen, dafür bestraft zu werden.

Diplomaten machen lieber mit als zu gehen

Was die Regierung dann mit diesem Protest macht, ist freilich eine andere Frage. Derzeit scheint das Weiße Haus jedenfalls nicht geneigt zu sein, sich von Leuten im Außenministerium in seine Außenpolitik reinreden zu lassen. Die unzufriedenen Diplomaten hätten zwei Möglichkeiten, verkündete Trumps Sprecher Sean Spicer am Montagmittag kühl. "Sie können mitmachen, oder sie können gehen."

Man darf annehmen, dass diese Warnung auch für Rex Tillerson galt, den designierten neuen Außenminister, der am Montag immer noch nicht bestätigt war. Auch ihn hatte im Weißen Haus niemand gefragt, was er von dem Dekret hält, bevor es veröffentlicht worden war.

Auf den Webseiten der US-Botschaften in aller Welt konnte man sehen, dass die meisten Diplomaten wohl lieber mitmachen wollen. Dort wurden am Montag Warnhinweise angezeigt, dass die amerikanischen Botschaften und Konsulate bis auf Weiteres keine Visumanträge von Staatsangehörigen der sieben muslimischen Länder mehr bearbeiten werden.

Zweite Rebellion - von Trump schnell niedergeschlagen

Ein paar Stunden später kam es zu einer zweiten Rebellion in der Washingtoner Bürokratie: Sally Yates, die vorübergehend amtierende Justizministerin, wies ihr Haus an, Trumps Dekret bei Klagen nicht zu verteidigen. Auch das war ungewöhnlich - normalerweise ist es die Aufgabe der Regierungsjuristen, die Regierungspolitik vor Gericht zu vertreten.

Yates jedoch, die von Obama zur Vizejustizministerin ernannt worden war und das Ministerium leiten sollte, bis Trumps Ministerkandidat Jeff Sessions bestätigt ist, wählte den Widerstand. Sie habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Dekrets, ließ sie wissen.

Das Problem: Welche Bestimmung genau in dem Dekret ihrer Ansicht nach rechtswidrig ist, sagte Yates nicht. Sie habe aufgrund früherer Äußerungen Trumps den Verdacht, der Präsident wolle Muslime wegen deren Religionszugehörigkeit aussperren, so die Juristin. Das mag vielleicht die Intention von Trump sein, doch es steht eben so nicht in dem Erlass.

Juristische Feinheiten sind Trump egal

Das Dekret sperrt bestimmte Menschen - wenn auch überwiegend Muslime - wegen deren Staatsangehörigkeit aus. Das ist, rechtlich gesehen, ein wichtiger Unterschied. Tatsächlich gibt es bisher kein Gericht, das Trumps Erlass oder Teile davon als illegal verworfen hätte; einzelne Richter haben nur die Abschiebung von Betroffenen aus humanitären Gründen gestoppt.

Trump freilich sind juristische Feinheiten egal. Er wütete auf Twitter, dass die Demokraten seine Minister nicht bestätigten. Und er fügte Spicers' beiden Optionen - mitmachen oder gehen - eine dritte hinzu: gefeuert werden. Kaum hatte Yates sich geäußert, bezichtigte der Präsident sie des "Verrats" und entließ sie. Der neue provisorische Ministeriumsleiter, ein unbekannter Staatsanwalt namens Dana Boente, befahl dem Ressort umgehend, das Dekret vor Gericht zu verteidigen. Die Revolte im Justizministerium war niedergeschlagen.

All das zeigt, wie begrenzt die Möglichkeiten des Regierungsapparats sind, sich dem Präsidenten zu widersetzen. Wirkungsvollen Widerstand können nur die Gerichte leisten - oder die Parlamentarier. Doch bisher gibt es wenig Hinweise darauf, dass die republikanischen Mehrheitsfraktionen im Abgeordnetenhaus oder im Senat wegen des Flüchtlingsdekrets gegen Trump meutern.

Einzelne Parlamentarier wie John McCain und Lindsey Graham kritisieren den Erlass zwar als schlampig formuliert und zu weit gefasst; aber sie wissen auch, dass der Flüchtlingsstopp und das Einreiseverbot bei den republikanischen Wählern beliebt ist. Genau wegen dieses Versprechens haben sie schließlich für Donald Trump gestimmt.

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